Machtspiele: Die Kunst, sich durchzusetzen (Haufe Sachbuch Wirtschaft) (German Edition)
ich auch außerhalb meines Willens. Ich bin meiner Wut ausgeliefert und daher machtlos.
Wenn sich jemand nicht beherrschen kann, dann vertrauen wir ihm nur sehr ungern Macht an. Er disqualifiziert sich für eine Führungsposition. So ist es übrigensauch, wenn er sich von anderen starken Gefühlen überwältigen lässt. Das hat nun gerade nichts mit der viel beschworenen emotionalen Intelligenz zu tun, die geradewegs das Gegenteil meint: sich eben nicht den Gefühlen hinzugeben, sondern intelligent mit ihnen umzugehen.
Wie passt das aber mit der Beobachtung zusammen, dass es ja eher die Vorgesetzten sind, die Wutanfälle bekommen und ihre Mitarbeiter anbrüllen? Dafür gibt es zwei Erklärungen: Entweder findet der Wutausbruch im Rahmen des "Flegelspiels" statt (→ Seite 89), als Machtdemonstration: Mir kann keiner was. Oder aber er dient dazu, den Gegenspieler ganz bewusst einzuschüchtern. Unter mangelnder Selbstkontrolle leidet so jemand nun gerade nicht.
Der andere soll sein wahres Gesicht zeigen
Im Prinzip geht es beim "Materazzi" immer darum, dass der andere sich vor Zuschauern unmöglich macht. Er muss sich so sehr danebenbenehmen, dass er kaum noch tragbar erscheint. Sein Verhalten muss nach Möglichkeit unentschuldbar sein, sonst findet das Publikum Ausreden und Rechtfertigungen und dem Materazzi-Spieler geht es an den Kragen. Unentschuldbar ist das Verhalten des anderen aber vor allem dann, wenn es gelingt, dem Publikum zu vermitteln, dass er gerade sein wahres Gesicht zeigt. Endlich fällt die Maske. Der vermeintliche Kumpeltyp wird plötzlich zum hämischen Scheusal, die fröhliche Betriebsnudel spuckt Gift und Galle. Das Publikum sagt sich: Jetzt wissen wir erst, mit wem wir es zu tun haben.
Anders gesagt, der "Materazzi" hat vor allem dann Aussicht auf Erfolg, wenn der Spieler möglichst nahe bei der Wahrheit bleibt. Wenn sich sein Gegenüber tatsächlich selbst entlarvt und nicht etwa zu einer unbedachten Reaktion angestachelt wird. Dann könnte das Manöver nämlich sehr schnell auf den Spieler selbst zurückfallen.
Gefahren
Der Materazzi-Spieler muss unbedingt verhindern, dass er mit einem Mal als der Schuldige dasteht. Dazu sollte er seine vorbereitenden Aktivitäten auf der Hinterbühne möglichst verschleiern (und nicht wie der echte Materazzi auspacken; den Weltmeistertitel kann ihm zwar keiner mehr nehmen, aber seinen Ruf hat er ruiniert).Noch viel wichtiger ist: Sein Verhalten muss zu rechtfertigen sein – durch das Ausmaß der Überreaktion oder dadurch, dass er dem Publikum vorführt, wie sein Gegenspieler eigentlich ist.
Aber selbst dann bleibt ein bisschen Schmutz an dem Provokateur hängen. Und schließlich muss er damit rechnen, dass sich sein Opfer revanchiert. Das Mindeste, was es tun wird: Seine Version der Vorfälle darstellen. Auch das sorgt dafür, dass ein Materazzi-Spieler selten eine weiße Weste behalt.
Gegenstrategien
Verlieren Sie hin und wieder die Beherrschung, sollten Sie unbedingt dagegen angehen. Auch wenn Sie kein "Materazzi" reizt, ist mangelnde Selbstkontrolle ein schweres Karrierehindernis und im Umgang mit Macht äußerst nachteilig. Die Choleriker auf den Chefsesseln sind nicht dort, weil sie cholerisch sind, sondern trotz ihrer unkontrollierten Wutausbrüche. Und es ist die Frage, wie lange sie sich dort halten. Vermeiden Sie, dass sich Ärger bei Ihnen anstaut. Schlucken Sie Ihren Groll nicht herunter, sondern stellen Sie diejenigen zur Rede, die Ihnen Ärger machen.
Stellen Sie fest, dass es jemand darauf anlegt, Sie zu provozieren, können Sie genau diese Provokationen gegen ihn einsetzen. Sorgen Sie dafür, dass andere dies mitbekommen. Holen Sie die Provokationen auf die Vorderbühne – und dann ahnden Sie sie, maßvoll.
Das beste Mittel, das Sie vor Entlarvung schützt: Es gibt nichts zu entlarven. Sie treiben kein Doppelspiel, geben nicht den guten Kumpel, um die Kollegen später zu verpetzen. Sie buckeln nicht vor dem Chef, um ihn hinter seinem Rücken zum Gespött zu machen. Wenn Sie ärgerlich sind, dann hinterlassen Sie keine dauerhaften Spuren: also keine zornigen E-Mails schreiben, keine wütenden Anrufe, wenn Sie damit rechnen können, dass der Angesprochene einfach die Taste mit dem Lautsprecher betätigt, um die anderen mithören zu lassen, wie Sie mit ihm umgehen. Haben Sie sich doch einmal vergessen, dann hilft nur eines: Entschuldigen Sie sich.
Der innere Kreis
Wer in einer Organisation Karriere machen möchte, sollte mit dem Spiel
Weitere Kostenlose Bücher