MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten
Flüstern hervor. Ich räusperte mich und wollte noch einmal rufen, aber heftig zwinkernde Augen belehrten mich eines Besseren. Natürlich, wenn er mich irgendwo hörte, würde er in meine Richtung gehen und dabei vielleicht vom Weg abkommen.
Schweigend setzten wir unsere Suche fort. Eine Brombeerranke verfing sich in meinem Hosenbein, ich riss mir beim Lösen einen blutigen Kratzer in die Hand. Bald hatten wir die halbe Strecke zur Ruine hinter uns gebracht. Hier zweigten weitere Wege ab. Wege, die ich noch nicht betreten hatte, die mitten ins Moor führten. Neben mir verlief der niedrige Steinwall, der den befestigten Pfad von der feuchten Wiese dahinter trennte. MacTiger blieb vor mir in der Luft hängen. War da etwas?
Ich lauschte. Die feuchte Luft verzerrte die Töne, doch mir war, als würde ich jemanden atmen hören. Ein schmatzendes, saugendes Geräusch erklang. Dazu ein ärgerliches: »Verdammt!«
»Ken! Ken, bist du das?«, rief ich.
Von irgendwoher links von mir kam die Antwort.
»Margita! Wo bist du! Bleib, wo du bist, hier ist alles matschig. Der Boden scheint sich zu bewegen!«
»Ken, ich komme, um dir zu helfen.«
»Das geht nicht, man sieht doch nichts.«
»Ich... du wirst es nicht glauben, ich habe MacTiger bei mir. Er kann im Nebel sehen. Er wird mich führen.«
»Margita, du bist verrückt. Das ist wahnsinnig gefährlich. Ich bin mit einem Bein schon mal eingesunken. Das zieht einen sofort nach unten.«
»Du bist ganz nahe an einem befestigten Weg, Ken. Rühr dich nicht.«
Ich überlegte. Ken musste einen der Seitenwege eingeschlagen haben und danebengetreten sein. Man konnte wahrhaftig jede Orientierung verlieren. Vor allem, wenn man sich ein paarmal umgedreht hatte. Ich sah MacTigers Augen vor mir. Er wollte mir etwas mitteilen, ich wusste es. Aber ach, warum konnte ich nicht seine Gedanken lesen.
»Kater, Ken kann nicht weit entfernt sein, höchstens fünf, sechs Meter. Führ mich, MacTiger.«
Augenzwinkern.
»Nein? O Mann, was willst du denn?«
MacTiger drängte sich näher an mich, als wolle er meine Hand stupsen. Erst war ich irritiert, dann blitzte die Erkenntnis auf. Durch meine Berührung konnte er sich irgendwie aufladen. Gut, ich streichelte den Kater, wo ich seine Gestalt vermutete, und siehe da, die Augen schienen aufzuglühen. Sie wirkten wie die Rückstrahler eines Autos.
»Ken, ich schicke dir MacTiger. Du musst ihm folgen.«
»Margita, ich kann den doch nicht sehen. Und schon gar nicht im Nebel.«
»Doch, wir haben hier gerade einen kleinen Zauber gemacht. Pass auf, gleich tauchen zwei glühend rote Augen bei dir auf.«
Ich folgte den Lichtern noch ein paar Schritte, dann bedeutete mir der Geist, neben einem entlaubten alten Busch stehen zu bleiben. Als ich Kens Stimme das nächste Mal hörte, war sie deutlich näher und voller Staunen.
»Ich sehe sie wirklich.«
»Dann folge ihnen.«
Es raschelte, dann kam ein unangenehm saugendes Geräusch, und Ken ließ ein deftiges Schimpfwort hören. Doch schon tauchten seine Umrisse neben dem Weg auf.
Dann beging ich einen Fehler. Ich wollte ihm entgegeneilen, rutschte aus und sank mit den Knien in das weiche, morastige Zeug, das sich unter dem niedrigen, rauen Gras verbarg. Das war ja entsetzlich. Ich fühlte überhaupt keinen Widerstand mehr. Bei jeder Bewegung sank ich tiefer in den Matsch. Plötzlich machte sich wirklich Panik in mir breit. Verzweifelt klammerte ich mich an einen Ast des Busches und stöhnte auf.
Ich hatte Glück, denn eben hatte Ken den rettenden Sprung gewagt und stand neben mir.
»Gib mir deine Hand, Margita. Komm, das schaffen wir schon.«
Er zog mich hoch und hielt mich ganz fest. Wir beide zitterten. Nicht nur vor Kälte, sondern vor dem Schrecken, dem wir entgangen waren.
»W... w… w… warum bist d… d… du nur hierhin g… g… gegangen?«
Mir klapperten noch immer die Zähne.
»Das könnte ich dich genauso fragen, Margita.«
»Wieso mich? Ich habe im Hotel auf dich gewartet.«
»Gewartet? MacDuffnet kam völlig aufgelöst zu mir, als ich aus dem Bus stieg, und hat gesagt, du seist allein zur Ruine gegangen.«
»So ein Quatsch, warum sollte ich das? Was hat den Dummkopf nur dazu getrieben?«
»Oh, da drängt sich mir ein Verdacht auf.«
»Ken, hat das was mit dem Falschgeld zu tun?«
»Das hat es wohl. Komm, lass uns einen Moment ausruhen. Diese Steinmauer scheint sicher zu sein. Ich möchte dir das lieber hier erzählen als im Hotel.«
Wir setzten uns eng nebeneinander,
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