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Madam Baeurin

Madam Baeurin

Titel: Madam Baeurin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Christ
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daß er einem auch noch das letzte Kind aus dem Haus holt!«
    Sie bricht plötzlich in Tränen aus und bemerkt nicht, wie die Rätin unter der Tür steht und mit vor Rührung unterdrückter Stimme sagt: »Rosalie! Willst du nicht einen Augenblick zu uns in den Salon kommen? Zieh aber schnell das Hellseidene an! Ich habe dich eben verlobt.«
    Mit diesen Worten verläßt die Rätin auch schon wieder die Küche und eilt in den Salon, wo der Herr Assessor eben entzückt ein Brustbild seiner Braut betrachtet. –
    Rosalie aber ist schier vom Schlag gerührt. Sprachlos starrt sie zur Tür, in der eben noch die Rätin stand.
    Erst die Mahnung der Tante, sie müsse sich doch umziehen und schön machen für den Herrn Bräutigam, bringt sie wieder zu sich.
    Und nun beginnt sie zu toben und zu stampfen, sich zu wehren und zu beschweren gegen diesen Überfall auf ihre Person, ihre Freiheit, ihr Leben! Aber es nützt nichts. Genau so erging es ja auch den Schwestern! Die wurden so wenig gefragt wie sie jetzt!
    Die Mutter verhandelte hinter ihrem Rücken mit dem Bewerber, und erst nachdem das »Geschäft« erledigt war, wurde mit viel Gefühl und Rührung dem »Engelchen« und »Täubchen« der Zukünftige in die Arme gedrückt!
    »Aber ich, ich mag nicht! Ich sag' nein, und wenn mich die Mama aus dem Haus jagt!« ruft Rosalie ein ums andere Mal aus. »Ich laß mich nicht so mir nichts, dir nichts an einen hinketten! Ich mag ihn nicht, diesen Gecken!«
    Schweren Herzens redet ihr die Tante zu; denn ihr ist ungut zumut.
    Endlich ist das Mädchen angekleidet und folgt widerstrebend der sie führenden Tante, fest entschlossen, nein zu sagen.
    Aber da sie die Freude der Mutter sieht, da sie den wohlgepflegten jungen Mann vor sich sieht, die herzlichen Worte seiner Werbung hört, da sinkt ihr Kopf immer tiefer, und endlich sagt sie leise: »Ja. Ich will versuchen zu denken, daß ich Ihre Verlobte bin. Der Mama zulieb.«
    Adele ballt ihre Fäuste. Wie lange soll's wohl in der Welt noch so gehen, daß des Menschen Glück dem Geldsack, der Versorgung oder dem Egoismus anderer geopfert wird?
    Sie bringt es nicht übers Herz, ihrem lieben Mädel irgendein leeres Wort des Glückwunsches zu sagen. Aber sie drückt dem blassen, nichts weniger als glücklich aussehenden Mädchen fest die Hand.
    Die Rätin tupft sich mit dem winzigen Spitzentuch bald die Augen, bald die Nase und umarmt wiederholt das »liebe Kindchen«. Rosalie aber bittet, ob sie sich nicht wieder zurückziehen dürfe.
    So will denn das Geschick, daß der Abschiedstee zugleich der Verlobungstee Rosaliens wird, zu dem sie sich selber den Verlobungskuchen gebacken hat.

5

    Vor dem kleinen Bahnhof zu Glonn steht der altmodische schwere Landauer der Schiermosers, der Hochzeitswagen des Hofs seit mehr denn einem Menschenalter.
    Er ist zwar unkommod und dem Franz nicht nobel genug; aber bis jetzt ist es diesem noch nie eingefallen, daß man ja einen neuen anschaffen könnte. – Heute zum erstenmal fällt es ihm schwer, die Sommergäste immer noch in der »wackligen Kalesche«, in dem »Rumpelkarren«, wie er die Kutsche immer wieder nannte, abzuholen.
    »Sakra«, meint er am Bahnhof halblaut für sich, »die werdn sich aa denka: Beim Schiermoserbauern hausens rückwärts! Jetzt hams alleweil no den alten Marterkarrn! – Aber i muaß gähend wirkli amal um an andern schaugn. I kenns selber ein.«
    Damit breitet er eine Roßdecke über den brüchigen Ledersitz und zündet sich eine kurze Pfeife an.
    Die beiden Rappen scharren schon ungeduldig; da ertönt das Signal, daß der Zug eben die letzte Spanne seiner Fahrt durchläuft.
    Unwillkürlich zupft Franz Schiermoser seinen Rock zurecht, rückt das grüne Samthütl gerad und klopft die Pfeife aus; denn er weiß: Stadtdamen gegenüber hat man leider Gottes andere Saiten aufzuziehen als gegen seinesgleichen.
    Da biegt das Züglein auch schon um den Berg, rattert über die Brücke des Mühlbachs und fährt schließlich rauchend und prustend in den Bahnhof ein.
    Franz rührt sich kaum vom Fleck.
    Langsam gleitet sein Blick über alle hin, die durch das Gitter der Sperre drängen; nur mit einem kurzen Kopfnicken erwidert er den Gruß des einen oder andern Ankommenden.
    Plötzlich aber durchfährt es ihn mit einem Ruck: die da drüben – die so flink aus dem Wagen springt und nun der alten Frau die Hand zur Hilfe reicht -, die ist es doch!
    Die Rosel Scheuflein!
    »Herrgott, is dees Madl sauber wordn!« fährts ihm, ohne daß er's will,

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