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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Namen, damit es ihn einschließt in seine Gebete.«
    Die Flamme der beiden Kerzen flackerte. Rodolphe erhob sich, schloss das Fenster, und als er wieder saß:
    »Das ist wohl alles. Ah! eines noch, damit sie nicht hier angerückt kommt: «
    »Ich werde fern sein, wenn Sie diese traurigen Zeilen lesen; denn ich wollte möglichst schnell flüchten und mich so der Versuchung entziehen, Sie noch einmal zu sehen. Nicht wanken! Ich komme wieder; und vielleicht plaudern wir später ganz kaltblütig über unsere alte Liebe. Leben Sie wohl! Adieu!«
    Und es folgte ein allerletztes Adieu, in zwei Worten geschrieben: À Dieu! das hielt er für äußerst geschmackvoll.
    »Und wie unterzeichne ich jetzt?« fragte er sich. »Ihr sehr ergebener? … Nein. Ihr Freund? Ja, das ist’s.«

    »Ihr Freund.«

    Er las seinen Brief noch einmal. Alles gefiel ihm.
    »Arme kleine Frau!« dachte er gerührt. »Sie wird glauben, ich sei gefühlloser als ein Fels; ein paar Tränen würden sich gut machen; aber ich kann nicht weinen; ist ja nicht meine Schuld.« Also füllte Rodolphe ein Glas mit Wasser, tauchte den Finger hinein und ließ von oben einen dicken Tropfen herabfallen, der einen blassen Fleck machte auf der Tinte; und als er den Brief dann versiegeln wollte, fand sich das Siegel Amor nel cor .
    »Das passt nicht bei diesen Umständen … Ach was! einerlei!«
    Danach rauchte er drei Pfeifen und ging zu Bett.
    Am nächsten Tag, als er aufgestanden war (etwa gegen zwei, er hatte lang geschlafen), ließ Rodolphe ein Körbchen Aprikosen pflücken. Er legte den Brief auf den Boden, unter Weinblätter, und befahl alsbald Girard, seinem Ackerknecht, das ganze vorsichtig ins Haus von Madame Bovary zu bringen. Auf diesem Wege pflegte er mit ihr zu korrespondieren, schickte, je nach Jahreszeit, Obst oder Wild.
    »Wenn sie nach mir fragt«, sagte er, »antwortest du, ich sei verreist. Den Korb musst du ihr selbst übergeben, zu eigenen Händen … Geh jetzt, und sei auf der Hut!«
    Girard zog seinen neuen Kittel über, schlang sein Tuch um die Aprikosen und machte sich mit großen, schweren Schritten in seinen klobigen Nagelgaloschen seelenruhig auf den Weg nach Yonville.
    Madame Bovary sortierte gerade, als er bei ihr eintraf, mit Félicité einen Stapel Wäsche auf dem Küchentisch.
    »Das hier«, sagte der Knecht, »schickt Ihnen unser Herr.«
    Sie wurde von einer bösen Ahnung gepackt, und in ihrer Tasche nach einer Münze suchend, starrte sie mit verstörtem Blick auf den Bauer, während er sie staunend betrachtete, denn er verstand nicht, wie ein derartiges Geschenk jemanden so erschüttern konnte. Endlich ging er. Félicité blieb. Sie konnte sich nicht länger beherrschen, sie lief in die Stube, als wollte sie die Aprikosen dorthin bringen, schüttete den Korb aus, riss die Blätter weg, fand den Brief, öffnete ihn, und als wüte hinter ihr ein schreckliches Feuer, stürmte Emma hinauf in ihr Zimmer, voller Entsetzen.
    Charles war dort; sie gewahrte ihn; er sprach zu ihr, sie hörte nichts, und sie rannte weiter die Treppe empor, keuchend, verzweifelt, benommen, und immer noch dies abscheuliche Blatt Papier in der Hand, das zwischen ihren Fingern klapperte wie ein Stück Blech. Im zweiten Stock blieb sie vor der Dachbodentür stehen, die zu war.
    Sie wollte sich beruhigen; der Brief kam ihr wieder in den Sinn, sie musste ihn zu Ende lesen, sie wagte es nicht. Und außerdem, wo? wie? man würde sie sehen.
    »Ach! nein, hier«, dachte sie, »bin ich ungestört.«
    Emma drückte gegen die Tür und trat ein.
    Von den Schieferplatten fiel senkrecht eine drückende Hitze, die an ihre Schläfen hämmerte und ihr den Atem nahm; sie schleppte sich bis zum geschlossenen Mansardenfenster, schob den Riegel zurück, und grelles Licht ergoss sich mit einem Schwall.
    Auf der anderen Seite, über den Dächern, erstreckte sich das weite Land ins Unendliche. Tief unter ihr lag der leere Dorfplatz; die Steine des Trottoirs flimmerten, die Wetterfahnen der Häuser standen reglos; an der Straßenecke drang aus dem unteren Stockwerk eine Art Gesurr mit kreischenden Modulationen. Es war Binet, der drechselte.
    Sie hatte sich gegen die Einfassung des Mansardenfensters gelehnt und las noch einmal den Brief, mit zornigem Hohngelächter. Doch je stärker sie ihre Aufmerksamkeit darauf richtete, desto stärker verwirrten sich ihre Gedanken. Sie sah ihn, sie hörte ihn, sie umfing ihn mit beiden Armen; und die Herzschläge, die unter der Brust auf sie eindroschen

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