Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
besser ging, versuchte er sie an seinem Arm durch den Garten zu führen. Der Sand auf den Wegen verschwand unter welkem Laub; sie setzte Schritt um Schritt, in ihren Pantöffelchen schlurfend, lehnte sich mit der Schulter an Charles und lächelte immerzu.
So spazierten sie bis nach hinten, zur Terrasse. Sie streckte sich langsam, hielt die Hand über den Augen, um zu schauen; sie schaute in die Ferne, weit in die Ferne; doch am Horizont sah man nur ausgedehnte Grasfeuer, die auf den Hügeln qualmten.
»Du wirst dich überanstrengen, mein Schatz«, sagte Bovary.
Und mit sanftem Druck wollte er sie unter die Laube schieben:
»Setz dich hier auf die Bank: das wird dir guttun.«
»Oh! nein, nicht dahin, nicht dahin!« sagte sie mit schwacher Stimme.
Sie hatte einen Schwindelanfall, und noch am selben Abend begann ihre Krankheit von neuem, freilich mit ungewisserem Verlauf und komplizierteren Symptomen. Mal tat ihr das Herz weh, dann schmerzte es sie in der Brust, im Gehirn, in den Gliedern; immer wieder musste sie sich erbrechen, und Charles vermutete erste Anzeichen von Krebs.
Und der arme Kerl hatte zu alledem auch noch Geldsorgen!
Anmerkungen
XIV.
Zunächst einmal wusste er nicht, wie er Monsieur Homais für all die Medikamente entschädigen sollte, die er bei ihm geholt hatte; und obwohl er sie als Arzt nicht hätte bezahlen müssen, schämte er sich doch ein wenig dieser Schuld. Dann waren die häuslichen Ausgaben, seit die Köchin das Regiment führte, erschreckend gestiegen; von allen Seiten hagelte es Rechnungen; die Lieferanten murrten; am ärgsten bedrängte ihn Monsieur Lheureux. Tatsächlich hatte er auf dem Höhepunkt von Emmas Krankheit die Umstände genutzt, um seine Rechnung zu vergrößern, und schnell den Mantel gebracht, den Nachtsack, zwei Kisten statt einer, Unmengen anderer Dinge. Charles konnte noch so sehr beteuern, er brauche das nicht, der Händler erwiderte arrogant, man habe alle diese Artikel bei ihm bestellt und er nehme sie nicht zurück; im übrigen könnte das schädlich sein für Madames Genesung; Monsieur möge es sich überlegen; kurzum, er sei entschlossen, ihn eher gerichtlich zu belangen, als auf seine Ansprüche zu verzichten und seine Waren nach Hause zu tragen. Charles gab später Anweisung, alles wieder in den Laden zu schicken; Félicité vergaß; er hatte andere Sorgen; man dachte nicht mehr daran; Monsieur Lheureux machte einen neuen Versuch und manövrierte bald unter Drohen, bald unter Jammern so geschickt, dass Bovary schließlich einen Wechsel mit einer Fälligkeit von sechs Monaten unterschrieb. Doch kaum hatte er diesen Wechsel gezeichnet, da kam ihm ein tollkühner Gedanke: er könnte von Monsieur Lheureux tausend Franc leihen. Er fragte also mit verlegener Miene, ob es eine Möglichkeit gebe, sie zu bekommen, und erklärte, es sei für ein Jahr und zu jedem beliebigen Zins. Lheureux eilte in sein Geschäft, brachte die Écus und diktierte einen weiteren Wechsel, mit dem Bovary sich verpflichtete, am 1. September des kommenden Jahres die Summe von eintausendundsiebzig Franc an seine Order zu zahlen; was mit den bereits festgesetzten einhundertachtzig genau zwölfhundertfünfzig ergab. Indem er also zu sechs Prozent verlieh, zuzüglich ein Viertel Provision, und die gelieferte Ware ihm wenigstens ein gutes Drittel einbrachte, musste ihm das innerhalb von zwölf Monaten einhundertdreißig Franc Gewinn bescheren; und er hoffte, die Sache werde damit nicht ihr Bewenden haben, man werde die Wechsel nicht einlösen können, man werde sie erneuern, und sein armes Geld werde, nachdem es sich beim Arzt aufgepäppelt hatte wie in einem Sanatorium, eines Tages zu ihm heimkehren, um vieles rundlicher und so prall, dass der Säckel platzte.
Ihm glückte wirklich alles. Er hatte den Zuschlag erhalten für eine Cidre-Lieferung an das Hospital von Neufchâtel; Monsieur Guillaumin versprach ihm Anteilscheine an den Torfgruben von Grumesnil, und er träumte davon, einen neuen Postkutschendienst zwischen Argueil und Rouen einzurichten, der zweifelsohne den alten Klapperkasten des Lion d’or in Kürze ruinieren und ihm selbst, weil er schneller fuhr, billiger war und mehr Gepäck beförderte, den gesamten Handel von Yonville in die Hände legen würde.
Charles fragte sich öfter, wie er im kommenden Jahr so viel Geld zurückzahlen sollte; und er studierte, suchte nach Auswegen, wie zum Beispiel, sich an seinen Vater zu wenden oder etwas zu verkaufen. Aber sein Vater würde
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