Madame Bovary
Haus bis an die Feueresse mit Hypotheken belastet, daß
kein Mensch wußte, wieviel Geld wirklich mit dem Notar zum Teufel
gegangen, und daß die Schiffshypothek keine tausend Taler wert war.
Folglich hatte die liebe Frau Heloise geflunkert. In seinem Zorn
warf der alte Bovary einen Stuhl gegen die Wand, daß er in tausend
Stücke ging, und machte seiner Frau den Vorwurf, sie habe den
Jungen in das Unglück gestürzt und ihn mit einer alten Kracke
eingespannt, die des Futters nicht einmal mehr wert sei.
Sie fuhren nach Tostes. Es kam zu einer Auseinandersetzung und
zu heftigen Szenen. Heloise warf sich weinend in die Arme ihres
Gatten und beschwor ihn, sie den Eltern gegenüber in Schutz zu
nehmen. Karl wollte die Partei seiner Frau ergreifen. Aber das
nahmen ihm die Alten übel. Sie reisten ab.
Diesen Schlag vermochte Heloise nicht zu verwinden. Acht Tage
darnach, als sie dabei war, Wäsche im Hofe aufzuhängen, bekam sie
einen Blursturz, und am andern Morgen war sie tot.
Als Karl vom Friedhofe zurückkam, fand er im
Erdgeschoß keinen Menschen. Er stieg die Treppe hinauf. Wie er in
das Schlafzimmer trat, fiel sein Blick auf einen Rock Heloisens,
der am Bette hing. Er lehnte sich gegen das Schreibpult und blieb
da hocken, bis es dunkel wurde, in schmerzliche Träumereien
versunken. Alles in allem hatte sie ihn doch geliebt …
Kapitel 3
Eines Vormittags erschien Vater Rouault und brachte das Honorar
für den behandelten Beinbruch: fünfundsiebzig Franken in blanken
Talern und eine Truthenne. Er hatte Karls Unglück erfahren und
tröstete ihn, so gut er konnte.
»Ich weiß, wie einem da zumute ist!« sagte er, indem er dem
Witwer auf die Schulter klopfte. »Habs ja selber mal durchgemacht,
ganz so wie Sie! Als ich meine Selige begraben hatte, da lief ich
hinaus ins Freie, um allein für mich zu sein. Ich warf mich im
Walde hin und weinte mich aus. Fing an, mit dem lieben Gott zu
hadern, und machte ihm die dümmsten Vorwürfe. An einem Aste sah ich
einen verreckten Maulwurf hängen, dem der Bauch von Würmern
wimmelte. Ich beneidete den Kadaver! Und wenn ich daran dachte, daß
im selben Augenblicke andre Männer mit ihren netten kleinen Frauen
zusammen waren und sie an sich drückten, schlug ich mit meinem
Stocke wild um mich. Es war sozusagen nicht mehr ganz richtig mit
mir. Ich aß nicht mehr. Der bloße Gedanke, in ein Kaffeehaus zu
gehn, ekelte mich an. Glauben Sie mir das! Na, und so nach und nach
im Gang der Zeiten, wie so der Frühling dem Winter und der Herbst
dem Sommer folgte, da gings eins, zwei, drei, und weg war der
Jammer! Weg! Hinunter! Das ist das richtige Wort: hinunter! Denn
ganz kriegt man ja so was im ganzen Leben nicht los. Da tief
drinnen in der Brust bleibt immer was stecken. Aber Luft kriegt man
wieder! Sehen Sie, das ist nun einmal unser aller Schicksal, und
deshalb darf man nicht gleich die Flinte ins Korn werfen. Man darf
nicht sterben wollen, weil andere gestorben sind. Auch Sie müssen
sich aufrappeln, Herr Bovary! Es geht alles vorüber! Besuchen Sie
uns! Sie wissen ja, meine Emma denkt oft an Sie. Sie hätten uns
vergessen, meint sie. Es wird nun
Frühling. Zerstreuen Sie sich ein bißchen bei uns. Schießen Sie ein
paar Karnickel auf meinem Revier!«
Karl befolgte seinen Rat. Er kam wieder nach Bertaux und fand da
alles wie einst, das heißt wie vor fünf Monaten. Die Birnbäume
hatten schon Blüten, und der treffliche Vater Rouault war wieder
mordsgesund und von früh bis abend auf den Beinen. Und im ganzen
Gut war mächtiger Betrieb.
Es war ihm eine Ehrensache, den Arzt mit der erdenklichsten
Rücksicht auf sein Leid zu behandeln. Er bat ihn, sichs so bequem
wie nur möglich zu machen, sprach im Flüstertone mit ihm wie mit
einem Genesenden, und er war sichtlich außer sich, wenn man des
Gastes wegen nicht, wie befohlen, die leichtverdaulichsten Gerichte
auf den Tisch brachte, zum Beispiel feine Eierspeisen oder
gedünstete Birnen. Er erzählte Anekdoten und Abenteuer. Zu seiner
eignen Verwunderung lachte Karl. Aber mir einem Male erinnerte er
sich seiner Frau und wurde nachdenklich. Der Kaffee ward gebracht,
und da vergaß er sie wieder.
Je mehr er sich an sein Witwertum gewöhnte, um so weniger
gedachte er der Verstorbenen. Das angenehme, ihm neue Bewußtsein,
unabhängig zu sein, machte ihm die Einsamkeit bald erträglicher.
Jetzt durfte er die Stunden der Mahlzeiten selber bestimmen, konnte
gehen und kommen, ohne Rechenschaft darüber geben zu müssen, und
wenn er
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