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Madame Bovary

Madame Bovary

Titel: Madame Bovary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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mehr. Wenn es sehr windig war, kam ihr flaumiges Haar im
Nacken in wehenden Wirrwarr, oder die Schürzenbänder begannen ihr
um die Hüften zu flattern. Einmal war Tauwetter. An den Rinden der
Bäume rann Wasser in den Hof hinab, und auf den Dächern der Gebäude
schmolz aller Schnee. Emma war bereits auf der Schwelle, da ging
sie wieder ins Haus, holte ihren Sonnenschirm und spannte ihn auf.
Die Sonnenlichter stahlen sich durch die taubengraue Seide und
tupften tanzende Reflexe auf die weiße Haut ihres Gesichts. Das gab
ein so warmes und wohliges Gefühl, daß Emma lächelte. Einzelne
Wassertropfen prallten auf das Schirmdach, laut vernehmbar, einer,
wieder einer, noch einer …
    Im Anfang hatte Frau Bovary häufig nach Herrn Rouault und seiner
Krankheit gefragt, auch hatte sie nicht verfehlt, für ihn in ihrer
doppelten Buchführung ein besondres Konto einzurichten. Als sie
aber vernahm, daß er eine Tochter hatte, zog sie nähere
Erkundigungen ein, und da erfuhr sie, daß Fräulein Rouault im
Kloster, bei den Ursulinerinnen, erzogen worden war, sozusagen also
»eine feine Erziehung genossen« hatte, daß sie infolgedessen
Kenntnisse im Tanzen, in der Erdkunde, im Zeichnen, Sticken und
Klavierspielen haben mußte. Das ging ihr über die Hutschnur, wie
man zu sagen pflegt.
    »Also darum!« sagte sie sich. »Darum also lacht ihm das ganze
Gesicht, wenn er zu ihr hinreitet! Darum zieht er die neue Weste
an, gleichgültig, ob sie ihm vom Regen verdorben wird! Oh dieses
Weib, dieses Weib!«
    Instinktiv haßte sie Emma. Zuerst tat sie sich eine Güte in
allerhand Anspielungen. Karl verstand das nicht. Darauf versuchte
sie es mit anzüglichen Bemerkungen, die er aus Angst vor einer
häuslichen Szene über sich ergehen ließ. Schließlich
aber ging sie im Sturm vor. Karl wußte
nicht, was er sagen sollte. Weshalb renne er denn ewig nach
Bertaur, wo doch der Alte längst geheilt sei, wenn die Rasselbande
auch noch nicht berappt habe? Na freilich, weil es da ›eine Person‹
gäbe, die fein zu schwatzen verstünde, ein Weibsbild, das sticken
könne und weiter nichts, ein Blaustrumpf! In die sei er
verschossen! Ein Stadtdämchen, das sei ihm ein gefundenes
Fressen.
    »Blödsinn!« polterte sie weiter. »Die Tochter des alten Rouault,
die und eine feine Dame! O jeh! Ihr Großvater hat noch die Schafe
gehütet, und ein Vetter von ihr ist beinahe vor den Staatsanwalt
gekommen, weil er bei einem Streite jemanden halbtot gedroschen
hat! So was hat gar keinen Anlaß, sich was Besonders einzubilden
und Sonntags aufgedonnert in die Kirche zu schwänzeln, in seidnen
Kleidern wie eine Prinzessin. Und der Alte, der arme Schluder! Wenn
im vergangenen Jahre die Rapsernte nicht so unverschämt gut
ausgefallen wäre, hätte er seinen lumpigen Pacht nicht mal blechen
können!«
    Die Freude war Karl verdorben. Er stellte seine Ritte nach
Bertaur ein. Seine Frau hatte ihn nach einer Flut von Tränen und
Küssen und unter tausend Zärtlichkeiten auf ihr Meßbuch schwören
lassen, nicht mehr hinzugehen. Er gehorchte. Aber in seiner
heimlichen Sehnsucht war er kühner; da war er empört über seine
tatsächliche eigne Feigheit. Und in naivem Machiavellismus sagte er
sich, gerade ob dieses Verbots habe er ein Recht auf seine Liebe.
Was war die ehemalige Witwe auch für ein Weib: sie war spindeldürr
und hatte häßliche Zähne; Sommer wie Winter trug sie denselben
schwarzen Schal mit dem über den Rücken herabhängenden langen
Zipfel; ihre steife Figur stak in den immer zu kurzen Kleidern wie
in einem Futteral, und was für plumpe Schuhe trug sie über ihren
grauen Strümpfen.
    Karls Mutter kam von Zeit zu Zeit zu Besuch.
Dann wurde es noch schlimmer; dann hackten sie alle beide auf ihn
ein. Das viele Essen bekäme ihm schlecht. Warum er dem ersten
besten immer gleich ein Glas Wein vorsetze? Und es sei bloß
Dickköpfigkeit von ihm, keine Flanellwäsche zu tragen.
    Zu Beginn des Frühlings begab es sich, daß der
Vermögensverwalter der Frau verwitweten Dubuc, ein Notar in
Ingouville, samt allen ihm anvertrauten Geldern übers Meer das
Weite suchte. Nun besaß sie allerdings außerdem einen Schiffsanteil
in der Höhe von sechstausend Franken und ein Haus in Dieppe. Aber
von allen diesen vielgepriesenen Besitztümern hatte man nie etwas
Ordentliches zu sehen bekommen. Die Witwe hatte nichts mit in die
Ehe gebracht als ein paar Möbel und etliche Nippsachen. Nunmehr
ging man der Sache auf den Grund, und da stellte sich denn heraus,
daß besagtes

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