Madame Bovary
Das
war ein Rummel! Da war einer dabei, ein
großer hübscher Mann mit einem schwarzen Schnurrbärtchen, der war
riesig fidel! Sie baten ihn immer: `Du, erzähl uns mal einen
Schwank aus deinem Leben, Adolf!' Oder hieß er Rudolf? Ich weiß
nicht mehr….«
Emma fuhr zusammen.
»Ist dir nicht wohl?« fragte Leo und legte ihr die Hand um den
Nacken.
»Ach nein, es ist nichts! Es ist ein bißchen kühl.«
»Er mochte auch viel Glück bei den Frauen haben«, redete der
Bootsmann leise weiter. Er wollte seinem Fahrgaste offenbar eine
Schmeichelei sagen. Dann spuckte er sich in die Hände und begann
von neuem zu rudern.
Endlich kam die Trennungsstunde. Der Abschied war sehr traurig.
Sie verabredeten, Leo solle durch die Adresse der Frau Rollet
schreiben. Emma gab ihm genaue Anweisungen. Er solle doppelte
Umschläge verwenden. Er wunderte sich über ihre Schlauheit in
Liebesdingen.
»Und das andre ist doch auch alles in Ordnung, nicht wahr?«
fragte sie nach dem letzten Kusse.
»Aber gewiß!«
Als er dann allein durch die Straßen heimging, dachte er bei
sich:
»Warum macht sie denn eigentlich so viel Wesens mit ihrer
Generalvollmacht?«
Kapitel 4
Leo begann vor seinen Kameraden den Überlegenen zu spielen. Er
mied ihre Gesellschaft und vernachlässigte seine Akten. Er wartete
nur immer auf Emmas Briefe, las wieder und wieder in ihnen und
schrieb ihr alle Tage. Er verweilte in Gedanken und in der
Erinnerung immerdar voller Sehnsucht bei ihr. Sein heißes Begehren
kühlte sich durch das Getrenntsein nicht ab, im Gegenteil, sein
Verlangen, sie wiederzusehen, wuchs dermaßen, daß er an einem
Sonnabendvormittag seiner Kanzlei entrann.
Als er von der Höhe herab unten im Tale den Kirchturm mit seiner
sich im Winde drehenden blechernen Wetterfahne erblickte,
durchschauerte ihn ein sonderbares Gefühl von Eitelkeit und
Rührung, wie es vielleicht ein Milliardär empfindet, der sein
Heimatdorf wieder aufsucht.
Er ging um Emmas Haus. In der Küche war Licht. Er wartete, ob
nicht ihr Schatten hinter den Gardinen sichtbar würde. Es erschien
nichts.
Als Mutter Franz ihn gewahrte, stieß sie Freudenschreie aus. Sie
fand ihn »größer und schlanker geworden«, während Artemisia im
Gegensatze dazu meinte, er sähe »stärker und brauner« aus.
Wie einst nahm er seine Mahlzeit in der kleinen Gaststube ein,
aber allein, ohne den Steuereinnehmer. Binet hatte es nämlich »satt
bekommen«, immer auf die Post warten zu sollen, und hatte seine
Tischzeit ein für allemal auf Punkt fünf Uhr verlegt, was ihn
indessen nicht hinderte, darüber zu räsonieren, daß der »alte
Klapperkasten egal zu spät« käme.
Endlich faßte Leo Mut und klingelte an der Haustüre des Arztes.
Frau Bovary war in ihrem Zimmer. Erst nach einerViertelstunde kam sie herunter. Karl schien sich zu
freuen, ihn wiederzusehen; aber weder am Abend noch andern Tags
wich er von Emmas Seite. Erst nachts kam sie allein mit Leo
zusammen, auf dem Wege hinter dem Garten, an der kleinen Treppe zum
Bach, wie einst mit dem andern.
Da ein Gewitterregen niederging, plauderten sie unter einem
Regenschirm, bei Donner und Blitz.
Die Trennung war ihnen unerträglich.
»Lieber sterben!« sagte Emma.
Sie entwand sich seinen Armen und weinte.
»Lebwohl! Lebwohl! Wann werd ich dich wiedersehn?«
Sie wandten sich noch einmal um und umarmten sich von neuem. Da
versprach ihm Emma, sie wolle demnächst Mittel und Wege finden,
damit sie sich wenigstens einmal jede Woche sehen könnten. Emma
zweifelte nicht an der Möglichkeit. Sie war überhaupt voller
Zuversicht. Lheureux hatte ihr für die nächste Zeit Geld in
Aussicht gestellt.
Sie schaffte ein Paar cremefarbige Stores für ihr Zimmer an.
Lheureux rühmte ihre Billigkeit. Dann bestellte sie einen Teppich,
den der Händler bereitwillig zu besorgen versprach, wobei er
versicherte, er werde »die Welt nicht kosten«. Lheureux war ihr
unentbehrlich geworden. Zwanzigmal am Tage schickte sie nach ihm,
und immer ließ er alles stehen und liegen und kam, ohne auch nur zu
murren. Man begriff ferner nicht, warum die alte Frau Rollet
täglich zum Frühstück und auch außerdem noch häufig kam.
Gegen Anfang des Winters entwickelte Emma plötzlich einen
ungemein regen Eifer im Musizieren.
Eines Abends spielte sie dasselbe Stück viermal hintereinander,
ohne über eine bestimmte schwierige Stelle glatt hinwegzukommen.
Karl, der ihr zuhörte, bemerkte den Fehler nicht und rief:
»Bravo! Ausgezeichnet! Fehlerlos! Spiele
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