Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Madame Bovary

Madame Bovary

Titel: Madame Bovary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
Vom Netzwerk:
saß selber das
Messer an der Kehle!«
    »Und was wird jetzt geschehn?«
    »Ganz einfach! Erst kommt ein gerichtlicher Schuldtitel und dann
die Zwangsvollstreckung! Schwapp! Ab!«
    Emma konnte sich nur mit Mühe beherrschen. Sie hätte ihm beinahe
ins Gesicht geschlagen. Ruhig fragte sie, ob es denn kein Mittel
gebe, Herrn Vinçard zu vertrösten.
    »Den und vertrösten! Da kennen Sie Vinçard schlecht! Das ist ein
Bluthund!«
    Dann müsse eben Lheureux einspringen.
    »Hören Sie mal,« entgegnete er, »mir scheint, daß ich schon
genug für Sie eingesprungen bin! Sehen Sie!« Er schlug seine Bücher
auf: »Hier! Am 3. August zweihundert Franken … am l7. Juni
hundertundfünfzig Franken … am 23. März sechsundvierzig Franken …
am 10. April….«
    Er hielt inne, als fürchte er eine Dummheit zu sagen.
    »Dazu kommen noch die Wechsel, die mir Ihr Mann ausgestellt hat,
einen zu siebenhundert und einen zu dreihundert Franken! Von Ihren
ewigen kleinen Rechnungen und den rückständigen Zinsen gar nicht zu
reden! Das ist ja endlos! Da findet sich
ja gar niemand mehr hinein! Ich will nichts mehr mit der Sache zu
tun haben!«
    Emma fing an zu weinen, nannte ihn sogar ihren lieben guten
Lheureux, aber er verschanzte sich immer wieder hinter »diesen
Schweinehund, den Vinçard«. Übrigens verfüge er selber über keinen
roten Heller in bar. Kein Mensch bezahle ihn. Man zöge ihm das Fell
über die Ohren. Ein armer Händler, wie er, könne nichts borgen.
    Emma schwieg. Lheureux nagte an einem Federhalter. Durch ihr
Schweigen sichtlich beunruhigt, sagte er schließlich:
    »Na, vielleicht … wenn dieser Tage was einkommt….«
    Sie unterbrach ihn:
    »Wenn ich die letzte Rate für das Grundstück in Barneville
bekomme….«
    »Wieso?«
    Er tat so, als sei er sehr überrascht, daß Langlois noch nicht
gezahlt habe. Mit honigsüßer Stimme sagte er:
    »Na, da machen Sie mal einen Vorschlag!«
    »Ach, den müssen Sie machen!«
    Er schloß die Augen, als ob er sich etwas überlegte. Hierauf
schrieb er ein paar Ziffern, und dann erklärte er, er käme sehr
schlecht dabei weg, die Geschichte sei faul und er schneide sich in
sein eignes Fleisch. Schließlich füllte er vier Wechsel aus, jeden
zu zweihundertundfünfzig Franken, mit Fälligkeitstagen, die je vier
Wochen auseinanderlagen.
    »Vorausgesetzt natürlich, daß Vinçard darauf eingeht!« sagte er.
»Mir solls ja recht sein! Ich fackle nicht lange! Bei mir gehr
alles wie geschmiert!«
    Er zeigte ihr im Vorbeigehen schnell noch ein paar
Neuigkeiten.
    »Es ist aber nichts für Sie darunter, gnädige Frau!« meinte er.
»Wenn ich bedenke: dieser Stoff, das Meter zu drei
Groschen und angeblich sogar waschecht!
Die Leute reißen sich drum! Man sagt ihnen natürlich nicht, was
wirklich dran ist…. Sie könnens sich ja denken!«
    Durch derlei Geständnisse seiner Unreellität andern gegenüber
sollte er sich bei ihr als desto ehrlicher hinstellen. Emma war
bereits an der Tür, als er sie zurückrief und ihr drei Meter
Brokatstickerei zeigte, einen »Gelegenheitskauf«, wie er sagte.
    »Prachtvoll! Nicht?« sagte er. »Man nimmt es jetzt vielfach zu
Sofabehängen. Das ist hochmodern!«
    Mit der Geschicklichkeit eines Taschenspielers hatte er den
Spitzenstoff bereits in blaues Papier eingeschlagen und Emma in die
Hände gedrückt.
    »Ich muß doch aber wenigstens wissen, was …«
    »Ach, das eilt ja nicht!« unterbrach er sie und wandte sich
einem andern Kunden zu.
    Noch an dem nämlichen Abend bestürmte sie Karl, er solle doch
seiner Mutter schreiben, daß sie den Rest der Erbschaft schicke. Es
kam die Antwort, es sei nichts mehr da. Nach Erledigung aller
Verbindlichkeiten verblieben ihm – abgesehen von dem Grundstück in
Barneville – jährlich sechshundert Franken, die ihm pünktlich
zugehen würden.
    Nunmehr verschickte sie an ein paar von Karls Patienten
Rechnungen; und da dies von Erfolg war, machte sie das häufiger.
Der Vorsicht halber schrieb sie darunter: »Ich bitte, es meinem
Manne nicht zu sagen. Sie wissen, wie stolz er in dieser Beziehung
ist. Verzeihen Sie gütigst. Ihre sehr ergebene….« Hie und da liefen
Beschwerden ein, die sie unterschlug.
    Um sich Geld zu verschaffen, verkaufte sie ihre alten
Handschuhe, ihre abgelegten Hüte, altes Eisen. Dabei handelte sie
wie ein Jude. Hier kam ihr gewinnsüchtiges Bauernblut zum
Vorschein. Auf ihren Ausflügen nach Rouen erstand sie
allerhand Trödel, den Lheureux an Zahlungs
Statt annehmen sollte. Sie kaufte

Weitere Kostenlose Bücher