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Madame Bovary

Madame Bovary

Titel: Madame Bovary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Straußenfedern, chinesisches
Porzellan, altertümliche Truhen. Sie lieh sich Geld von Felicie,
von Frau Franz, von der Wirtin vom »Roten Kreuz«, von aller Welt.
Darin war sie skrupellos. Mit dem Geld, das sie noch für das
Barneviller Haus bekam, bezahlte sie zwei von den vier Wechseln.
Die übrigen fünfzehnhundert Franken waren im Handumdrehen weg. Sie
ging neue Verpflichtungen ein und immer wieder welche.
    Manchmal versuchte sie allerdings zu rechnen, aber was dabei
herauskam, erschien ihr unglaublich. Sie rechnete und rechnete, bis
ihr wirr im Kopfe wurde. Dann ließ sie es und dachte gar nicht mehr
daran.
    Um ihr Haus war es traurig bestellt. Oft sah man Lieferanten mit
wütenden Gesichtern herauskommen. Am Ofen trocknete Wäsche. Und die
kleine Berta lief zum größten Entsetzen von Frau Homais in
zerrissenen Strümpfen einher. Wenn sich Karl gelegentlich eine
bescheidene Bemerkung erlaubte, antwortete ihm Emma barsch, es sei
nicht ihre Schuld.
    »Warum ist sie so reizbar?« fragte er sich und suchte die
Erklärung dafür in ihrem alten Nervenleiden. Er machte sich
Vorwürfe, daß er nicht genügend Rücksicht auf ihr körperliches
Leiden genommen habe. Er schalt sich einen Egoisten und wäre am
liebsten zu ihr gelaufen und hätte sie geküßt.
    »Lieber nicht!« sagte er sich. »Es könnte ihr lästig sein!«
    Und er ging nicht zu ihr.
    Nach dem Essen schlenderte er allein im Garten umher. Er nahm
die kleine Berta auf seine Knie, schlug seine Medizinische
Wochenschrift auf und versuchte dem Kind das Lesen beizubringen. Es
war noch gänzlich unwissend. Sehr bald machte es große, traurige
Augen und begann zu weinen. Da tröstete er es. Er holte Wasser in
der Gießkanne und legte ein Bächlein im
Kies an, oder er brach Zweige von den Jasminsträuchern und pflanze
sie als Bäumchen in die Beete. Dem Garten schadete das nur wenig,
er war schon längst von Unkraut überwuchert. Lestiboudois hatte
schon wer weiß wie lange keinen Lohn erhalten! Dann fror das Kind,
und es verlangte nach der Mutter.
    »Ruf Felicie!« sagte Karl. »Du weißt, mein Herzchen, Mama will
nicht gestört werden!«
    Es wurde wieder Herbst, und schon fielen die Blätter. Jetzt war
es genau zwei Jahre her, daß Emma krank war! Wann würde das endlich
wieder in Ordnung sein? Er setzte seinen Weg fort, die Hände auf
dem Rücken.
    Frau Bovary war in ihrem Zimmer. Kein Mensch durfte sie stören.
Sie hielt sich dort den ganzen Tag auf, im Halbschlafe und kaum
bekleidet. Von Zeit zu Zeit zündete sie eins der Räucherkerzchen
an, die sie in Rouen im Laden eines Algeriers gekauft hatte. Um in
der Nacht nicht immer ihren schnarchenden Mann neben sich zu haben,
brachte sie es durch allerlei Grimassen so weit, daß er sich in den
zweiten Stock zurückzog. Nun las sie bis zum Morgen überspannte
Bücher, die von Orgien und von Mord und Totschlag erzählten. Oft
bekam sie davon Angstanfälle. Dann schrie sie auf, und Karl kam
eiligst herunter.
    »Ach, geh nur wieder!« sagte sie.
    Manchmal wieder lief sie, vom heimlichen Feuer des Ehebruchs
durchglüht, schwer atmend und in heißer sinnlicher Erregung ans
Fenster, sog die kühle Nachtluft ein und ließ sich den Wind um das
schwere Haar wehen. Zu den Gestirnen aufblickend, wünschte sie sich
die Liebe eines Fürsten….
    Leo trat ihr vor die Phantasie. Was hätte sie in diesem
Augenblick darum gegeben, ihn bei sich zu haben und sich von ihm
sattküssen zu lassen.

    Die Tage des Stelldicheins waren ihre Sonntage, Tage der
Verschwendung! Und wenn Leo nicht imstande war, alles allein zu
bezahlen, steuerte sie auf das freigebigste dazu bei, was beinahe
jedesmal der Fall war. Er versuchte, sie zu überzeugen, daß sie
ebensogut in einem einfacheren Gasthofe zusammen kommen könnten.
Sie wollte jedoch nichts davon hören.
    Eines Tages brachte sie in ihrer Reisetasche ein halbes Dutzend
vergoldete Teelöffel mit, das Hochzeitsgeschenk ihres Vaters. Sie
bat Leo, sie im Leihhause zu versetzen. Er gehorchte, obgleich ihm
dieser Gang sehr peinlich war. Er fürchtete, sich bloßzustellen.
Als er hinterher noch einmal darüber nachdachte, fand er, daß seine
Geliebte überhaupt recht seltsam geworden sei und daß es vielleicht
ratsam wäre, mit ihr zu brechen. Seine Mutter hatte übrigens einen
langen anonymen Brief bekommen, in der ihr von irgendwem mitgeteilt
worden war, ihr Sohn »ruiniere sich mit einer verheirateten Frau.«
Der guten alten Dame stand sofort der konventionelle Familienpopanz
vor Augen: der

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