Madame Bovary
Blondine.
Ein paar Herren, kleine Blumen an den Röcken, waren im Gespräche
mit den Damen. Alle saßen sie um den Kamin herum.
Um sieben Uhr ging man zu Tisch. Die Herren, die in der Überzahl
da waren, nahmen Platz an der einen Tafel in der Vorhalle; die
Damen, der Marquis und die Marquise an der andern im Eßzimmer. Als
Emma eintrat, drang ihr ein warmes Gemisch von Düften und Gerüchen
entgegen: von Blumen, Tischdamast, Wein und Delikatessen. Die
Flammen der Kandelaberkerzen liebäugelten mit dem Silberzeug, und
in den geschliffenen Gläsern und Schalen tanzte der bunte
Widerschein. Die Tafel entlang paradierte eine Reihe von
Blumensträußen. Aus den Falten der Servietten, die in der Form von
Bischofsmützen über den breitrandigen Tellern lagen, lugten ovale
Brötchen. Hummern, die auf den großen Platten nicht Platz genug
hatten, leuchteten in ihrem Rot. In durchbrochenen Körbchen waren
riesige Früchte aufgetürmt. Kunstvoll zubereitete Wachteln wurden
dampfend aufgetragen. Der Haushofmeister, in seidnen Strümpfen,
Kniehosen und weißer Krawatte, reichte mit Grandezza und großem
Geschick die Schüsseln. Auf all dies gesellschaftliche Treiben sah
regungslos die bis zum Kinn verhüllte Göttin herab, die auf dem
mächtigen, bronzegeschmückten Porzellanofen thronte.
Am oberen Ende der Tafel, mitten unter all den Damen, saß, über
seinen vollen Teller gebeugt, ein alter Herr, der sich die
Serviette nach Kinderart um den Hals geknüpft hatte. Die Sauce
tropfte ihm aus dem Munde; seine Augen waren rotunterlaufen. Er
trug noch einen Zopf, um den ein schwarzes Band geschlungen war. Das war der Schwiegervater des
Marquis, der alte Herzog von Laverdière. Anno dazumal (zu den
seligen Zeiten der Jagdfeste in Vaudreuil beim Marquis von
Conflans) war er ein Busenfreund des Grafen Artois. Auch munkelte
man, er wäre der Geliebte der Königin Marie-Antoinette gewesen, der
Nachfolger des Herrn von Coigny und der Vorgänger des Herzogs von
Lauzun. Er hatte ein wüstes Leben hinter sich, voller Zweikämpfe,
toller Wetten und Frauengeschichten. Ob seiner Verschwendungssucht
war er ehedem der Schrecken seiner Familie. Jetzt stand ein Diener
hinter seinem Stuhle, der ihm ins Ohr brüllen mußte, was es für
Gerichte zu essen gab.
Emmas Blicke kehrten immer wieder unwillkürlich zu diesem alten
Manne mit den hängenden Lippen zurück, als ob er etwas ganz
Besonderes und Großartiges sei: war er doch ein Favorit des
Königshofes gewesen und hatte im Bette einer Konigin
geschlafen!
Es wurde frappierter Sekt gereicht. Emma überlief es am ganzen
Körper, als sie das eisige Getränk im Munde spürte. Zum erstenmal
in ihrem Leben sah sie Granatäpfel und aß sie Ananas. Selbst der
gestoßene Zucker, den es dazu gab, kam ihr weißer und feiner vor
denn anderswo.
Nach Tische zogen sich die Damen in ihre Zimmer zurück, um sich
zum Ball umzukleiden. Emma widmete ihrer Toilette die sorglichste
Gründlichkeit, wie eine Schauspielerin vor ihrem Debüt. Ihr Haar
ordnete sie nach den Ratschlägen des Coiffeurs. Dann schlüpfte sie
in ihr Barege-Kleid, das auf dem Bett ausgebreitet bereitlag.
Karl fühlte sich in seiner Sonntagshose am Bauche beengt.
»Ich glaube, die Stege werden mich beim Tanzen stören^ meinte
er.
»Du willst tanzen?« entgegnete ihm Emma.
»Na ja!«
»Du bist nicht recht gescheit! Man würde dich bloß auslachen.
Bleib du nur ruhig sitzen! Ubrigens schickt sich das viel besser
für einen Arzt«, fügte sie hinzu.
Karl schwieg. Er lief mit großen Schritten im Zimmer hin und her
und wartete, bis Emma fertig wäre. Er sah sie über ihren Rücken weg
im Spiegel, zwischen zwei brennenden Kerzen. Ihre schwarzen Augen
erschienen ihm noch dunkler denn sonst. Ihr Haar war nach den Ohren
zu ein wenig aufgebauscht; es schimmerte in einem bläulichen
Glanze, und über ihnen zitterte eine bewegliche Rose, mit
künstlichen Tauperlen in den Blättern. Ihr mattgelbes Kleid ward
durch drei Sträußchen von Moosrosen mit Grün darum belebt.
Karl küßte sie von hinten auf die Schulter.
»Laß mich!« wehrte sie ab. »Du zerknüllst mir alles!«
Violinen- und Waldhornklänge drangen herauf. Emma stieg die
Treppe hinunter, am liebsten wäre sie gerannt.
Die Quadrille hatte bereits begonnen. Der Saal war gedrängt
voller Menschen, und immer noch kamen Gäste. Emma setzte sich
unweit der Tür auf einen Diwan.
Als der Kontertanz zu Ende war, blieben auf dem Parkett nur
Gruppen plaudernder Menschen und Diener in Livree, die
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