Madame Bovary
jeher die bürgerliche Küche. Die ist
am gesündesten. Als ich
stud pharm.
in Rouen
war, da habe ich deshalb regelmäßig in einer Pension gegessen. Die
Herren Professoren aßen auch da….«
In dieser Weise fuhr er fort, sich über seine Ansichten im
allgemeinen und seinen persönlichen Geschmack im besondern
auszulassen, bis Justin kam und ihn zur
Bereitung einer bestellten Arznei holte.
»Man hat aber auch keinen Augenblick seine Ruhe!« schimpfte er.
»Immer liegt man an der Kette! Keine Minute kann man fort. Ein
Arbeitstier bin ich, das Blut schwitzen muß. Das ist ein
Hundedasein!«
In der Tür sagte er noch:
»Übrigens, wissen Sie schon das Neueste?«
»Was denn?«
Homais zog die Brauen hoch und machte eine hochwichtige
Miene.
»Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Versammlung der Landwirte
unsers Departements heuer in Yonville stattfindet. Man munkelt
wenigstens. In der heutigen Zeitung steht auch schon eine
Andeutung. Das wäre für die hiesige Gegend von großer Bedeutung!
Aber darüber reden wir noch einmal! Danke, ich sehe schon. Justin
hat die Laterne mit….«
Kapitel 7
Der nächste Tag war für Emma ein Tag der Betrübnis. Alles um sie
herum erschien ihr wie von lichtlosem Nebel umflort, verschwommen,
zerrissen. Der Schmerz strich durch ihre Seele mit leisen Klagen
wie der Winterwind um ein einsames Schloß. Sie verfiel in die
Träumerei, die den Menschen umspinnt, wenn er etwas auf immerdar
verloren hat. Sie empfand die Müdigkeit, die ihn der vollendeten
Tatsache gegenüber übermannt, den Schmerz, der ihn überkommt, wenn
eine ihm zur Gewohnheit gewordne Bewegung plötzlich stockt, wenn
Schwingungen jäh aufhören, die lange in ihm vibriert haben.
Wie damals nach der Rückkehr vom Schlosse Vaubyessard, als die
wirbelnden Walzermelodien ihr nicht aus dem Sinne wollten, war sie
voll düsterer Schwermut, in dumpfer Lebensunlust. Leo stand vor
ihrer Phantasie immer größer, schöner, verführerischer. Wie ein
Ideal. Wenn er auch fern von ihr war, so hatte er sie doch nicht
verlassen. Er war da, und an den Wänden ihres Hauses schien sein
Schatten noch zu haften. Immer wieder schaute sie auf den Teppich,
über den er so oft gegangen, auf die leeren Stühle, wo er gesessen.
Draußen kroch das Flüßlein noch immer vorbei mit seinen niedlichen
Wellen, zwischen den schlammigen Ufern hin. An seinem Gestade waren
sie so oft gewandelt, bei dem Rauschen der Fluten um die moosigen
Steine. Wie warm hatte da die Sonne geschienen! Wie traulich waren
die Nachmittage gewesen, wenn sie hinten im schattigen Garten
allein gesessen hatten! Er hatte laut vorgelesen, bloßen Kopfes, in
einem Korbstuhl sitzend. Der frische Wind, der drüben von den
Wiesen her wehte, hatte die Blätter des Buches bewegt und die
violetten Blüten der Glycinen an der Laube … Ach, nun war er fort,
die einzige Freude ihres Daseins, die einzige Hoffnung, daß sich
ihr das erträumte Glück noch erfülle!
Warum hatte sie dieses Glück nicht mit beiden Händen festgehalten,
in den Schoß genommen, es nicht in die Ferne gelassen? Sie
verwünschte sich, Leos Geliebte nicht geworden zu sein. Sie
dürstete nach seinen Lippen. Am liebsten wäre sie ihm nachgelaufen,
hätte sich in seine Arme geworfen und ihm gesagt: »Hier bin ich!
Nimm mich!« Aber vor den Hindernissen, die sich der Verwirklichung
dieses Dranges entgegengestellt hätten, verzagte Emma von
vornherein, und der Schmerz darüber schürte ihre Sehnsucht zu noch
heißerer Glut.
Fortan war die Erinnerung an Leo der Kristallisationspunkt ihrer
Bitternisse. Sie flackerte verlockender als ein einsames
Lagerfeuer, das Wanderer in einer sibirischen Steppe inmitten des
Schnees angezündet haben. Zu diesem Feuer flüchtete sie, kauerte
sich daneben nieder und fachte es sorgfältig wieder an, wenn es zu
verlöschen drohte. Im Umkreise um sich herum suchte sie alles
mögliche herbei, um diese Flammen zu nähren. Die fernsten
Erinnerungen und die frischesten Ereignisse, Erlebtes und
Erträumtes, die wuchernden Phantastereien ihrer Sinnlichkeit, ihre
Sehnsucht nach Sonne, geknickt wie trocknes Gezweig im Wind, ihre
nutzlose Tugend, ihre getäuschten Illusionen, die Armseligkeit
ihres Hauswesens, alles das sammelte sie, raffte es zusammen und
warf es in die Glut, um ihre Trübsal daran zu wärmen.
Mit der Zeit verglomm das Feuer aber doch, sei es, weil ihm die
Nahrung fehlte, sei es, weil die Überfülle von Brennstoff es
erstickte. In der Abwesenheit des Geliebten verkam
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