Madame Bovary
und Emmas Abonnement abbestellen. Wenn der Mann trotzdem sein
Vergiftungswerk fortsetzte, sollte man da nicht das Recht haben,
sich an die Polizei zu wenden?
Der Abschied zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter war
steif. In den drei Wochen ihres Beisammenseins hatten sie,
abgesehen von den häuslichen Anordnungen und den höflichen Formeln
bei Tisch und abends vor dem Zubettgehen, keine drei Worte
gewechselt.
Die alte Frau Bovary reiste ab an einem Mittwoch, dem Markttage
von Yonville. Vom frühen Morgen ab war an diesem Tage auf dem
Marktplatz, gleichlaufend mit den Häusern von der Kirche bis zum
Goldnen Löwen, eine lange Reihe von Leiterwagen aufgefahren,
Fahrzeug an Fahrzeug, alle mit hochgespießten Deichseln. Auf der
andern Seite des Platzes standen Zeltbuden, in denen
Baumwollenwaren, Decken und Strümpfe feilgeboten wurden, daneben
Pferdegeschirre und Haufen von bunten Bändern, deren Enden im Winde
flatterten. Zwischen Eierpyramiden und Käsekörben, aus denen
klebriges Stroh herausragte, lagen allerhand Eisenwaren auf dem
Pflaster ausgebreitet. Neben Ackergerät gackerten Hühner in flachen
Körben und steckten ihre Hälse durch die Luftlöcher. Die Menge
schob sich, ohne zu weichen, gerade nach den Stellen, wo das
Gedränge schon am dichtesten war. So geriet bisweilen das Schaufenster der Apotheke
wirklich in Gefahr. An den Markttagen ward diese nie leer. Es
standen immer eine Menge Leute darin, weniger um Arzneien zu kaufen
als vielmehr um den Apotheker zu konsultieren. Herr Homais war in
den benachbarten Ortschaften ein berühmter Mann. Seine
rücksichtslose Sicherheit fing die Bauern. Sie hielten ihn für
einen besseren Arzt als alle Doktoren im ganzen Lande.
Emma saß an ihrem Fenster, wie so oft. Das Fenster ersetzt in
der Kleinstadt das Theater und den Korso. Sie belustigte sich über
das wimmelnde Landvolk; da bemerkte sie einen Herrn in einem Rock
von grünem Samt, mit gelben Handschuhen; sonderbarerweise trug er
dazu derbe Gamaschen. Ein Bauersknecht mit gesenktem Kopf und recht
trübseliger Miene folgte ihm. Beide gingen auf das Bovarysche Haus
zu.
»Ist der Herr Doktor zu sprechen?« fragte der Herr den
Apothekergehilfen, der an der Haustüre mit Felicie plauderte. Er
hielt ihn für den Diener des Arztes. »Melden Sie Herrn Rudolf
Boulanger von der Húchette.«
Es war keineswegs Eitelkeit, daß der Ankömmling sein Gut zu
seinem Namen fügte. Er wollte nur genau angeben, wer er war. Die
Húchette war nämlich ein Rittergut in der Nähe von Yonville, das er
samt zwei Meiereien unlängst gekauft hatte. Er bewirtschaftete es
selber, jedoch ohne sich allzusehr dabei anzustrengen. Er war
Junggeselle und hatte »so mindestens seine fünfzehntausend Franken«
im Jahr zu verzehren.
Karl begab sich in sein Sprechzimmer hinunter. Boulanger
überwies ihm seinen Knecht, der einen Aderlaß wünsche, weil er am
ganzen Körper ein Kribbeln wie von Ameisen habe.
»Das wird mich erleichtern«, wiederholte der Bursche auf alle
Einwände. Bovary ließ sich nunmehr eine Leinwandbinde und eine
Schüssel bringen. Er bat Justin, behilflich zu sein.
Dann wandte er sich an den Knecht, der schon
ganz blaß geworden war.
»Nur keine Angst, mein Lieber!«
»Ach nee, Herr Doktor, machen Sie nur los!« erwiderte er.
Dabei hielt er mit prahlerischer Gebärde seinen dicken Arm hin.
Unter dem Stich der Lanzette sprang das Blut hervor und spritzte
bis zum Spiegel hin.
»Die Schüssel!« rief Karl.
»Donnerwetter!« meinte der Knecht. »Das ist ja der reine
Springbrunnen! Und wie rot das Blut ist! Das ist ein gutes Zeichen,
nicht wahr?«
Bei diesen Worten sank der Mann mit einem Ruck in den Sessel
zurück, daß die Lehne krachte.
»Das hab ich mir gleich gedacht!« bemerkte Bovary, indem er mit
den Fingern die angestochne Ader zudrückte. »Erst gehts ganz gut,
dann kommt die Ohnmacht, gerade bei solchen robusten Kerlen wie der
da!«
Die Schüssel in Justins Händen geriet ins Schwanken. Die Knie
schlotterten ihm; er wurde leichenfahl.
»Emma! Emma!« rief der Arzt.
Mit einem Satze war sie die Treppe hinunter.
»Essig!« rief ihr Karl zu. »Ach du mein Gott! Gleich zweie auf
einmal!«
In seiner Aufregung konnte er kaum den Verband anlegen.
»'s ist weiter nichts!« meinte Boulanger gelassen, der Justin
aufgefangen hatte. Er setzte ihn auf die Tischplatte und lehnte ihn
mit dem Rücken gegen die Wand.
Frau Bovary machte sich daran, dem Ohnmächtigen das Halstuch
aufzuknüpfen. Der Knoten wollte sich
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