Madame Bovary
ein, und alles lief im alten Gleise. Die Herren
schnauzten ihre Knechte an, und die Knechte prügelten das Vieh, das
mit grünen Kränzen um die Hörner in seine Ställe zurücktrottete.
Ahnungslose Triumphatoren.
Die Bürgergarde und die Feuerwehr traten weg und begaben sich in
den ersten Stock des Rathauses. Der Bataillonstambour schleppte
einen Korb Weinflaschen, und die Mannschaft spießte sich die
spendierten Butterbrote auf die Bajonette.
Frau Bovary ging an Rudolfs Arm nach Haus. An der Türe nahmen
sie Abschied. Sodann ging er bis zur Stunde des Festmahles allein
durch die Wiesen spazieren.
Der Schmaus dauerte lange. Es war lärmig, die
Bedienung schlecht. Man saß so eng
aneinander, daß man für die Ellenbogen gar keine Freiheit hatte,
und die schmalen Bretter, die als Bänke dienten, drohten unter der
Last der Gäste zusammenzubrechen. Man aß unmenschlich viel. Jeder
wollte auf seine Kosten kommen. Allen perlte der Schweiß von der
Stirne. Zwischen der Tafel und den Hängelampen schwebte weißlicher
Dunst, wie der Nebel über dem Flusse an einem Herbstmorgen.
Rudolf, der seinen Platz an der Zeltwand hatte, verlor sich
völlig in Träumereien an Emma, so daß er nichts sah und hörte.
Hinter ihm, draußen auf dem Rasen, schichteten die Kellner die
gebrauchten Teller. Wenn ihn einer seiner Nachbarn anredete, gab er
ihm keine Antwort. Man füllte ihm das Glas, ohne daß er es
wahrnahm. Trotz des allgemeinen immer stärker werdenden Lärmes war
es in ihm ganz still. Er sann über das nach, was Emma gesagt hatte,
und über die Linien ihrer Lippen dabei. Ihr Bild schimmerte ihm wie
aus Zauberspiegeln aus allem entgegen, was glänzte, sogar aus dem
Messingbeschlag der Feuerwehrhelme. Die Zeltwand hatte Falten, die
ihn an die ihres Kleides erinnerten. Und vor ihm, in der Ferne der
Zukunft, winkte eine endlos lange Reihe verliebter Tage.
Am Abend sah er Emma wieder, beim Feuerwerk. Aber sie war in der
Gesellschaft ihres Mannes, der Frau Homais und des Apothekers. Der
letztere beunruhigte sich sehr über die Möglichkeit, daß einmal
eine Rakete versehentlich in das Publikum gehen könnte. Aller
Augenblicke verließ er seine Freunde, um Binet zur größten Vorsicht
zu vermahnen. Die Feuerwerkskörper waren vorher aus übertriebener
Ängstlichkeit im Hause des Bürgermeisters aufbewahrt worden, in
dessen Keller. Das feucht gewordene Pulver entzündete sich nun
schwer, und das Hauptstück, eine Schlange, die sich in den Schwanz
beißt, versagte vollständig. Ab und zu zischte ein dürftiges
Feuerrad. Dann schrie die gaffende Menge
vor Vergnügen laut auf, und in dieses Geschrei mischte sich das
Kreischen der Weiber, die im Dunkeln von dreisten Händen angefaßt
wurden.
Emma schmiegte sich schweigsam an Karls Arm. Den Kopf gehoben,
verfolgte sie die Feuerlinien der Raketen auf dem schwarzen Himmel.
Rudolf betrachtete sie im Scheine der Lampions. Nach und nach
verlöschten diese, und nun leuchteten nur die Gestirne. Ein paar
Regentropfen fielen. Frau Bovary legte sich ihr Tuch über das
unbedeckte Haar.
In diesem Augenblicke fuhr der Landauer des Regierungsrates vom
Gasthofe weg. Der Kutscher war bezecht und hockte verschlafen auf
seinem Bocke. Man sah von weitem, wie die schwere Masse seines
Körpers zwischen den Wagenlichtern hin und her pendelte, je nach
den Bewegungen des Wagens auf dem holperigen Pflaster.
»Man sollte wirklich strenger gegen die Trunksucht vorgehen«,
bemerkte der Apotheker. »Mein Vorschlag geht dahin, allwöchentlich
am Rathause die Namen derer auszuhängen, die sich in der Woche
vorher sinnlos betrunken haben. Das ergäbe nebenbei eine Statistik,
die man in gewissen Fällen…Aber entschuldigen Sie!«
Er eilte wiederum zum Feuerwehrhauptmann, der sich gerade
anschickte, nach Hause zu gehen. Ihn trieb die Sehnsucht nach
seiner Drehbank.
»Vielleicht täten Sie gut,« mahnte ihn Homais, »wenn Sie einen
von Ihren Leuten schickten, oder noch besser, wenn Sie selber
gingen…«
»Lassen Sie mich doch in Ruhe!« murrte der Steuereinnehmer. »Das
hätte ja gar keinen Sinn!«
Der Apotheker gesellte sich wieder zu seinen Freunden.
»Wir können völlig beruhigt sein«, sagte er zu ihnen. »Herr
Binet hat mir soeben versichert, daß alle Vorsichtsmaßregeln
getroffen sind. Es ist keine Feuergefahr
mehr vorhanden. Und die Spritzen stehen voller Wasser bereit. Gehen
wir schlafen!«
»Ach ja! Ich habs sehr nötig!« erwiderte Frau Homais, die schon
immer tüchtig gegähnt hatte. »Aber
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