Madame de Maintenon
»jede Art von Verzierung und Vergoldung
316 streng verboten«, wie der Chronist Montigny für die Nachrichtenblätter des folgenden Tages festhielt. »Aber wie kann man die Mode reglementieren?« warf er rhetorisch ein – »Verzierung und Vergoldung« waren natürlich allgegenwärtig. Die Bezahlung des Festes hatte man jedenfalls Colbert überlassen, in seiner überaus nützlichen Eigenschaft als Oberintendant der königlichen Bauten. Ihm oblag es, die Kosten des Abends niedrig zu halten und für das Drum und Dran zu sorgen, nicht zu vergessen das Feuerwerk. Dieses umfaßte, wie Madeleine de Scudéry festhielt, zunächst tausend kleine Kanonen, die »in heroischer Harmonie
317 , wenn ich es so sagen darf«, abgefeuert wurden, gefolgt von »tausend Dingen, die von Rotunden, Fontänen, Parterres, Büschen und hundert anderen Stellen und zum Schluß von der Spitze des Wasserturms emporschossen – so viele strahlende Sterne, daß sie die Sonne hätten verdunkeln können«.
Ludwig könnte sein Ziel, alles Bisherige zu übertreffen, durchaus erreicht haben, denn die ganze Szene war absolut fantastisch. Der im Freien errichtete oktagonförmige Ballsaal, beleuchtet von »einer Unzahl von Kandelabern«, war geschmückt mit exotischen Orangenbäumen und Fontänen, aus denen das Wasser »wie eine Sintflut von Perlen« emporschoß. Die zu ihm führenden Gartenwege waren an jeder Kreuzung gesäumt von Statuen antiker Götter und Heroen, »alle koloriert und beleuchtet«. Der Park galt zwar noch als klein, enthielt aber ein Amphitheater, das groß genug war, um alle 3000 Gäste aufzunehmen, und ihm gegenüber hatte man speziell für den Abend ein Gartentheater geschaffen. Hier führten der herrliche Molière und seine Truppe ihr neues Stück auf, das ebenfalls speziell für den Abend geschaffen worden war: George Dandin, oder Der beschämte Ehemann. Es handelt von einem reichen Bauern, der sich zum Narren macht, indem er eine Frau aus einer höheren sozialen Klasse heiratet – furchtbar lustig für die »Personen von Stand« im Publikum und eine Ermahnung für die Bedienten, die Erfrischungen reichten, sich nicht über ihren Stand erheben zu wollen. In der Pause wurden die Ballettszenen einer neuen Oper von Lully aufgeführt, in denen der Komponist selbst eine prominente Rolle als Tänzer spielt.
Der König tanzte ebenfalls, allerdings nicht auf der Bühne, wie er es oft tat, sondern in dem Ballsaal, begleitet von Musikern, die auf vier kleinen Emporen saßen, »und Sie wissen, daß er
318 der anmutigste Tänzer der Welt ist«, sagte Madeleine de Scudéry ohne übertriebene Schmeichelei, denn es stimmte, wie allgemein bekannt war. Und sie setzte, da sie es offenbar für geboten hielt, auch die andere anwesende königliche Persönlichkeit zu erwähnen, diplomatisch hinzu: »Was die Schönheit der Königin betrifft, nun, darüber wissen Sie ja schon Bescheid.«
Als Françoise wieder die Kutsche bestieg, die auf dem marmornen Vorplatz auf sie wartete, brach ein strahlender
Sommertag an. Es war natürlich nicht ihre eigene Kutsche; ein solcher Luxus überstieg einstweilen ihre Mittel, und noch war sie auf die Gütigkeit von Freunden angewiesen, die sie mitnahmen. Die Rückfahrt nach Paris dauerte etwa drei Stunden, reichlich Zeit, um über die Freuden des Abends und die Strecke nachzudenken, die sie von dem kleinen Schloß ihrer Tante in Mursay zurückgelegt hatte.
Kapitel 10
Die Ankunft
Da der König das Vorbild
348 an galanterie liefert, fällt es den jungen Höflingen leicht, seine ergebenen Jünger zu werden. Der Hof liebt die Liebe: heitere, köstliche und zwanglose Liebe. Ein unglücklich verliebter Mann ist lächerlich. In Mode sind Eroberungen und Intrigen, nicht Seufzer und düstere Resignation … Ein junger Herr hat mehrere Affären nebeneinander. Treue zur Geliebten ist selten, Unbeständigkeit die Regel … Doch Ausschweifungen, das Übertreten der anerkannten Grenzen, … läßt Seine Majestät nicht zu. Er möchte den Hof halbwegs zwischen der asketischen Frömmigkeit aus der Zeit seiner Mutter und der Zügellosigkeit der leidenschaftlicheren Höflinge halten. Wenn der Anlaß es gebietet, weiß der König würdevoll aufzutreten und die Konventionen zu achten, aber in Saint-Germain … hat das Leben eine gewisse Spritzigkeit, eine Spontaneität, eine natürliche Eleganz … Das derzeit modische Wort ist geschmeidig , es ist wunderbar geeignet, das Verhalten der jungen Höflinge zu beschreiben. Es evoziert eine
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