Madame de Maintenon
boten einen Ausblick auf die schönen Gärten, die für die ausrangierte Louise de la Vallière angelegt worden waren, was der selbstsicheren Athénaïs hin und wieder Anlaß zum Nachdenken hätte geben können.
La belle Montespan war selten allein in ihrer geräumigen Suite. Diese teilte sie, abgesehen vom König und ihren Kindern, wenn Françoise sie zum Besuch brachte, mit einer buchstäblichen Menagerie anderer Geschöpfe: exotischen Vögeln von allen Arten und Farben, die teilweise frei umherflogen, Ziegen und Lämmern mit Bändern um den Hals, kostümierten Ferkeln, Mäusen, die umherhuschten und winzige Messingkutschen zogen, einem kreischenden Affen und sogar einem kleinen Bären. Beim »Mittagessen«, einer Mahlzeit am frühen Nachmittag, präsidierte Athénaïs einer Tafel nur für Damen, normalerweise ein Privileg der Königin. Anschließend hielt sie hof, auf einem stattlichen Sessel thronend, »mit Rückenlehne und Armlehnen
352 «, während die Prinzessinnen und Herzoginnen auf einfachen Schemeln um sie herum saßen.
Athénaïs war intelligent, großmütig und aufrichtig religiös, aber ihr Aufstieg zu höchsten Höhen hatte die weniger gewinnenden Aspekte ihres Charakters ans Tageslicht gebracht. In einem bizarren Luxus schwelgend, war sie abwechselnd duldsam und reizbar geworden, ihren Tieren, ihren Bediensteten, ihren Freunden und sogar dem König selbst gegenüber. Den ganzen Tag und die halbe Nacht konnte man ihre laute Stimme hören; sie kreischte vor Lachen, wenn
es ihrer Stimmung entsprach, dann wieder stritt sie mit dem König oder brüllte ihre Bedienten an, die als Zugabe nicht selten eine Ohrfeige bekamen. Trotz ihrer noblen Abstammung von den Mortemarts waren Athénaïs' Leidenschaften die der Neureichen: prunkvolle Kleider, riesige Edelsteine, luxuriöse Kutschen und die andauernde, schamlose Geldverschwendung – immer unterstützt vom König, dessen Leidenschaft für sie nach sieben Jahren ungemindert schien.
Die ungekrönte Königin benötigte offensichtlich einen eigenen Palast, und so hatte man mit dem Bau ihres sagenhaften Schlosses in Clagny bei Versailles begonnen, das den König oder vielmehr die Staatskasse Jahr für Jahr 300 000 Livres kostete, ganz zu schweigen von den »überbordenden Kosten
353 « ihrer Gemächer in Saint-Germain. Sogar der Prinz von Condé, le grand Condé , der Cousin des Königs, dessen königliche Pension alle anderen übertraf, bekam nur 150 000 Livres, bezog aber eingestandenermaßen gut eine Million von seinen Gütern. Die stolz verdienten 6000 Livres von Françoise waren dagegen ein Almosen, und die meisten Höflinge konnten sich kaum vorstellen, wie ein Landpfarrer von vier- oder fünfhundert pro Jahr Leib und Seele zusammenhalten oder ein städtischer Tagelöhner von der Hälfte dieses Betrages seine Familie ernähren konnte. Athénaïs vergaß nicht, was sie der Nächstenliebe schuldete, aber es machte ihr nichts aus, eine halbe Million Livres auf eine Karte zu setzen; es war zu kühn, zu berauschend, einfach zuviel Spaß, und sollte sie verlieren, konnte das Säckel immer nachgefüllt werden. »Sie spielte den ganzen Abend
354 … warf, ohne zu überlegen, den Preis eines Schiffes oder eines Schlosses auf den Tisch«, während der König mit zwiespältigen Gefühlen zuschaute und die Gier und Verschwendungssucht seiner unwiderstehlichen Mätresse damit rechtfertigte, daß er selbst ein gewagtes politisches Spiel trieb – er betrachtete die Sucht nach Würfeln und Karten als Gegengift gegen Komplotte und Fronden.
Das schlimmste oder das beste aller Spiele war Hoca , ein Glücksspiel mit hohen Einsätzen, Vorläufer des Roulette, das man aus Italien, wo es längst verboten war, eingeführt hatte. Das Parlament in Paris hatte es ebenfalls verboten, obwohl die Parlamentarier selbst bei ihren Besuchen am Hof nicht immer der Versuchung des Spiels widerstanden. » Hoca ist verboten
355 , unter Androhung einer Gefängnisstrafe, aber selbst im Haus des Königs spielen sie!« erklärte Madame de Sévigné. »Fünftausend Pistolen an einem Vormittag zu verlieren ist gar nichts; es ist absolut mörderisch.« In dem Bemühen, das Spiel auszumerzen, ergänzte der Polizeikommissar La Reynie die Gefängnisstrafe um eine Geldbuße von 3000 und dann von 6000 Livres, aber die potentiellen Gewinne waren einfach zu hoch, und von allem anderen abgesehen war Hoca einfach »die Mode am Hof« geworden, wie La Reynie bei seinem Vorgesetzten Colbert beklagte. »Daher
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