Madame de Maintenon
Dienst belassen werden, wobei der König selbst anbot, für die Kosten der Bekehrung aufzukommen, »sei es durch die Bereitstellung
551 von mehr Missionspriestern, sei es durch die Zahlung eines Bekehrungsentgelts an die Häretiker selbst«.
Die Zeit war günstig für eine Säuberung der königlichen Marine. Der sechsjährige niederländische Krieg war Ende 1678 beendet worden; seit sechzehn Monaten hatte Frankreich Frieden. Daher kam die gegen die Hugenotten gerichtete Anweisung nicht ganz überraschend. Das große Edikt Heinrichs IV . von 1598 über die religiöse Toleranz war seit dem Beginn der persönlichen Herrschaft Ludwigs im Jahr 1661 immer strikter ausgelegt worden. Wie in den Zeiten, da Constant d'Aubigné aus taktischen Gründen seinem Glauben abgeschworen hatte, wurden die Hugenotten erneut von offiziellen Ernennungen und der Ausübung bestimmter Berufe ausgeschlossen; in der Verfügung über ihr Geld, ihrem Status vor Gericht, ja sogar in ihrem Recht, zu heiraten und ihre Kinder zu erziehen, wurden sie Einschränkungen unterworfen. Angespornt von seinen Priestern, hatte Ludwig damit begonnen, das protestantische Leben in seinem Reich allmählich zu drosseln. Seine hugenottischen Untertanen, gut eine Million Menschen, »wurden langsam erstickt
552 «.
Fünfzehn Jahre zuvor hatte der protestantische Vicomte de Turenne, einer der großen Generäle Frankreichs und ein Freund von Françoise aus den Zeiten von Scarrons Salon, auf wiederholtes Drängen des Königs endlich selbst abgeschworen und damit seine hugenottischen confrères »ihres besten Beschützers« beraubt. Anschuldigungen eines prinzipienlosen Ehrgeizes hatte Turenne seinerzeit ignoriert, doch war er durch seine Bekehrung zum Katholizismus von einem ehrenhaften Feldmarschall ( maréchal de camp) zu dem seltenen und glorreichen Rang eines Marschalls von Frankreich ( maréchal de France ) aufgestiegen. So exaltiert waren Fran
çoises Ambitionen für ihren Cousin Philippe nicht, aber dennoch war ihr klar, daß er als Hugenotte nicht viel weiter kommen würde, als er bereits gekommen war, und daß ihre jüngeren hugenottischen Verwandten, ihre »Nichten und Neffen«, die gerade erst ihren Weg ins Leben antraten, überhaupt keine Aussichten auf ein Vorwärtskommen hatten.
Deshalb hatte sie Philippe schon im Februar 1678, zwei Jahre nach seiner beeindruckenden Haltung in der Seeschlacht vor Sizilien, in Richtung Katholizismus gedrängt: »Man kann nicht wissen
553 , was der König für Dich tun würde, wenn Du übertreten würdest. Es scheint so, als wolle er wirklich etwas für Dich tun.« Aber Philippes konfessioneller Anstand oder schlichte Sturheit hatten sich als unüberwindlich erwiesen, und so schien es, als habe die hugenottenfeindliche Anweisung vom April 1680 seinem beruflichen Aufstieg ganz und gar ein Ende gemacht.
Enttäuscht darüber, daß Philippe sich nicht helfen lassen wollte, beschloß Françoise, dann wenigstens etwas für die jüngere Generation der Familie de Villette zu tun, ihre »Nichten und Neffen« aus dem Poitou. Diese acht Enkelkinder von Tante Louise und Onkel Benjamin waren jetzt zwischen neun und sechzehn Jahren alt; die vier Jungen dienten bereits bei der Marine, während die Mädchen friedlich bei ihren Familien im Poitou lebten. Wenn Françoise etwas für sie tun sollte, war es unerläßlich, daß sie näher bei ihr waren und, was noch wichtiger war, ihren hugenottischen Glauben aufgaben und offiziell die katholische Religion annahmen. Unter diesen Bedingungen konnte sie gute berufliche Aussichten für die Jungen und gute Aussichten einer Verehelichung für die Mädchen sicherstellen, und auf längere Sicht konnte sie für sich selbst einen einflußreichen Clan von Blutsverwandten schaffen.
Philippe hatte deutlich gemacht, daß er seinem Glauben nicht abschwören wollte, und es sprach nichts dafür, daß
seine Schwestern bereitwilliger waren. Der Versuch, sie zu überreden, würde nur Zeitverschwendung bedeuten. Was sie brauchte, war eine Kriegslist mit verläßlicheren Ergebnissen. Die Mehrheit der jungen Verwandten war leicht zu erreichen. Françoise beschloß, sie zu entführen.
* *
Zu Beginn des Sommers 1680, nur wenige Wochen nach der hugenottenfeindlichen Anweisung vom April, wandte sie sich erneut an Seignelay im Marineministerium. Mit seiner Hilfe sorgte sie dafür, daß Philippe das Kommando eines Schiffes erhielt, das zu ihrer alten Insel Martinique segelte, und dort angesichts der übrigen
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