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Madame de Maintenon

Madame de Maintenon

Titel: Madame de Maintenon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Buckley
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dreihundert junge Mädchen im Alter von bis zu zwanzig Jahren, und unmittelbar vor ihrer Tür ein Hof, an dem es von begierigen jungen Männern nur so wimmelt … Man müßte wirklich dumm sein, nicht zu glauben, daß sie über die Mauern klettern werden …«
    Und das taten sie tatsächlich. Zwei der älteren, »blauen«
Mädchen wurden auf dem Grundstück in den Armen ihrer Verehrer ertappt, die ganz buchstäblich über die Mauern geklettert waren, um sie zu treffen. Eine dritte war von einem geistesgegenwärtigen Abbé im Anschluß an eine Aufführung der Esther entführt worden. Selbst diejenigen, die alle Klassenstufen bis zur letzten durchhielten, fanden selten den gutaussehenden jungen Adligen, den zu erwarten man ihnen Anlaß gegeben hatte. Adlige, ob gutaussehend und jung oder das Gegenteil, wollten, wie es schien, kein armes, junges, adliges Mädchen zur Frau; sie wollten eine reiche Bürgerstochter, mochte sie aussehen, wie sie wollte. Trotz der garantierten Mitgift von 3000 Livres heirateten die meisten der Mädchen von Françoise langweilige alte Männer, und nicht einmal Adlige, sondern tölpelhafte, schlechterzogene Bürgerliche. Die sechzehnjährige Marie-Claire de Marsilly, die noch einigermaßen Glück hatte, war aus dem Chor der Israeliten in der Esther -Aufführung herausgelesen worden, um Philippe, den erst kürzlich verwitweten Cousin von Françoise, zu heiraten, der mittlerweile das großväterliche Alter von dreiundsechzig erreicht hatte. Philippe war zumindest ein Adliger, der auf eine stolze Karriere bei der Marine verweisen konnte und dank seiner Cousine ein stattliches Einkommen hatte, aber Françoise fand die Partie peinlich, Philippes Tochter Marthe-Marguerite war entsetzt, und die Gefühle der jungen Marie-Claire kann man sich nur allzugut vorstellen.
    Es waren tatsächlich die nicht zusammenpassenden Ehepaare und die Skandale der galanterie , die Françoise in tiefe Mutlosigkeit stürzten. Sie waren symptomatisch für das, was in Saint-Cyr grundlegend falsch lief und woran sich grundsätzlich nichts ändern ließ. »Achten Sie darauf, junge Mädchen nicht unglücklich zu machen, indem Sie sie lehren, sich Dinge zu erhoffen, die über ihren Reichtum und Rang hinausgehen«, hatte Fénélon gewarnt. Und genau das hatte Françoise getan. Ihre armen, aber adligen Mädchen, alle ein
kostbares Alter ego für sie, wurden geradezu zwangsläufig »durch zu große Erwartungen enttäuscht«, große Erwartungen, die sie selbst geweckt hatte.
    Denn was immer sie sagte oder lehrte oder androhte – in den Augen der Mädchen war sie selbst der Inbegriff der armen, zum Ruhm aufgestiegenen demoiselle . » Stimmt es, daß Sie die Königin sind
816 , Madame? fragten die Mädchen sie. Und dann sagte sie nicht nein; sie antwortete nur: Redet nicht davon. Wer hat euch das gesagt? « In Saint-Cyr wie an jedem anderen Ort konnte jede aufblühende Sechzehnjährige glauben, unter allen anderen sei gerade sie für etwas Besonderes bestimmt, bis ein grober alter Wollhändler anklopfte und um ihre Hand bat.
    * *
    Madame de Brinon war aus Saint-Cyr fortgegangen, nachdem Françoise sie aufgrund eines »Autoritätskonflikts« entlassen hatte, wie es Manseau, der Verwaltungsintendant, ausdrückte. Gegangen war auch Père Gobelin, für immer aus der Welt gegangen, um genau zu sein, trotz oder wegen »eines Buches, ihn zu unterhalten
817 , des Weins, ihn zu stärken, der Pfirsiche, ihn zu erfrischen, der Rebhühner, ihn zu nähren, und der Melonen, die Luft in seinem Zimmer zu würzen«. Obwohl er über dreißig Jahre in ihren Diensten gestanden hatte, hatte Françoise ihn als Seelenführer nie ganz ernst genommen, aber nun, da er tot war, und besonders im Hinblick auf ihre prominente Stellung unter den Frommen war sie genötigt, sich einen neuen Beichtvater zu wählen. Sie kontaktierte den Anführer der Frommen, Bossuet, der ihr riet, den Jesuiten François Fénélon zu nehmen, dessen Erziehungsmaximen die Grundlage ihrer Bemühungen in Saint-Cyr gebildet und der ihr Scheitern vorhergesagt hatte. Offenbar war Françoise aber nach dem nachgiebigen Père Gobelin von der überragenden Intelligenz und der tiefen Spiritualität Fénélons eingeschüchtert. Da sie ihn nicht
nehmen, zugleich aber Bossuet keine Absage erteilen wollte, kam sie auf die schlaue Idee, Fénélon selbst zu bitten, ihr einen Beichtvater zu benennen. Er schlug den Abbé Paul Godet des Marais vor, den Françoise von seiner Arbeit an der Satzung von

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