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Madame Hemingway - Roman

Madame Hemingway - Roman

Titel: Madame Hemingway - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula McLain
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du. Das erkenne ja sogar ich.«
    Er sah mich aufmerksam an, und sein Blick schien mich geradewegs zu durchbohren. »Weißt du, ich mag dich. Du bist eine gute, ehrliche Person.«
    »Ich mag dich auch«, erwiderte ich, und mir fiel auf, wie wohl ich mich in seiner Nähe fühlte, als wären wir alte Freunde und hätten schon viele solcher Momente erlebt. Als wäre dies nicht der erste Text, den er mir überreicht und sich damit völligvor mir entblößt hatte. Als würde ich nicht zum ersten Mal seine Worte lesen und im Stillen über seine Fähigkeiten staunen.
    »Darf ich dich zum Essen ausführen?«, fragte er.
    »Jetzt?«
    »Was sollte uns daran hindern?«
    Kate,
dachte ich.
Kate und Kenley und der ganze betrunkene Haufen im Wohnzimmer.
    »Die werden noch nicht mal merken, dass wir weg sind«, versicherte er, da er mein Zögern bemerkte.
    »Na gut«, stimmte ich zu, schlich mich aber dennoch wie eine Diebin davon, um meinen Mantel zu holen. Denn ich wollte mit ihm gehen, ich wollte es unbedingt. Aber er lag falsch, wenn er glaubte, dass es niemandem auffiel. Als wir uns gemeinsam aus der Wohnungstür schlichen, spürte ich den Blick aus Kates grünen Augen heiß auf meinem Rücken, und ich hörte ihren stummen Ausruf:
Hadley, sei vernünftig!
    Aber ich hatte es satt, vernünftig zu sein. Ich drehte mich nicht um.
     
    Es war eine einzige Freude, mit Ernest durch die kalten Straßen Chicagos zu laufen. Wir redeten und redeten, seine Wangen waren errötet, und seine Augen leuchteten. Wir gingen in ein griechisches Restaurant in der Jefferson Street, wo wir Lammbraten und Gurkensalat mit Zitrone und Oliven aßen.
    »Das ist wahrscheinlich ziemlich peinlich, aber ich habe noch nie Oliven gegessen«, gestand ich, als der Kellner unsere Bestellung brachte.
    »Das ist ja fast schon ein Verbrechen. Hier, mach den Mund auf.«
    Er legte mir die Olive auf die Zunge, und als ich meinen Mund schloss, schmeckte ich ihre ölige, salzige Wärme und errötete ob ihrer Köstlichkeit und der intimen Geste, mit der ermir die Gabel zwischen die Lippen schob. Es war mein sinnlichstes Erlebnis seit einer ganzen Ewigkeit.
    »Und?«, wollte er wissen.
    »Das ist ja phantastisch«, erwiderte ich. »Aber fast schon ein bisschen gefährlich, nicht wahr?«
    Er lächelte und sah mich anerkennend an. »Ja, ein bisschen.« Und dann aß er selbst ein ganzes Dutzend davon, eine nach der anderen.
    Nach dem Abendessen liefen wir unter der Hochbahn entlang zum Municipal Pier. Die ganze Strecke über sprach er atemlos über seine Pläne, über all die Dinge, die er sich wünschte, über die Gedichte, Storys und Skizzen, die er unbedingt schreiben wollte. Ich war noch nie zuvor jemandem begegnet, der so vor Leben sprühte. All seine Bewegungen waren schnell, und er bewegte sich unablässig. Und anscheinend dachte und träumte er ebenso ungebremst.
    Als wir den Pier erreichten, liefen wir ihn bis zum Ende der Gleise entlang.
    »Wusstest du, dass hier während des Kriegs Kasernen und Gebäude des Roten Kreuzes standen? Ich hab drüben in Italien als Krankenwagenfahrer fürs Rote Kreuz gearbeitet.«
    »Der Krieg erscheint einem heute so weit weg, nicht wahr?«
    »Ja, manchmal.« Auf seiner Stirn erschien eine Falte, die Besorgnis oder auch Zweifel ausdrückte. »Was hast du in jener Zeit getan?«
    »Hauptsächlich habe ich mich versteckt gehalten. Ich habe im Keller der öffentlichen Bibliothek Bücher sortiert. Es hieß, sie seien für die Soldaten in Übersee bestimmt.«
    »Lustig, ich habe diese Bücher persönlich ausgeliefert. Neben Schokoladentafeln, Briefen, Zigaretten und Süßkram. Wir hatten eine Kantine eingerichtet, aber manchmal bin ich abends mit dem Fahrrad rausgefahren. Hast du das Bild vor Augen?«
    »Ja. Es war ein klappriges rotes Rad, nicht wahr?«
    »Der Fahrradfahrer war selbst ein bisschen klapprig, nachdem er fast in Stücke gebombt wurde.«
    Ich blieb stehen. »Oh, Ernest, es tut mir so leid. Das wusste ich nicht.«
    »Nicht so schlimm. Immerhin war ich für ein paar Tage ein Held.« Er lehnte sich ans Geländer und schaute auf den See hinaus, der Grau in Grau, mit nur einer Spur von Weiß, vor uns lag. »Weißt du, woran ich gerade denke?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Seidenraupen. Ich habe eine Nacht in einem Dorf an der Front namens San Pedro Norello verbracht. Horney war auch da, dort haben wir uns nämlich kennengelernt, und unsere Feldbetten standen im Erdgeschoss dieser Seidenfabrik. Die Raupen waren direkt über uns im

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