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Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Titel: Madame Zhou und der Fahrradfriseur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Landolf Scherzer
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in Peking wohnen. Unsere guten Wohnungen sind doch nicht die Norm für Menschen, die in Peking wohnen. Die Mehrzahl lebt in Hütten. Aber daran denken wir in unseren schönen Häusern oft nicht.
    Meine drei Wünsche sind: niemals Geldschulden haben, eine blonde, sehr lebenslustige Frau heiraten und die Fähigkeit, im Schlaf fremde Sprachen oder alle lateinischen Begriffe für Muskeln, Sehnen und Knochen zu erlernen.
    Was ich China für die Zukunft wünsche? China soll nie wie andere Länder Kriege führen, sondern in der Welt weiter durch friedliche Arbeit mit an der Spitze stehen.
    Eine Chinesin heiraten? Nein, ich sagte schon, ich will eine naturblonde Frau haben. Mit ihr hebt man sich sowohl in Afrika als auch in China aus der Masse heraus. Um eine blonde Frau
wird man hier beneidet. Aber ich habe nichts gegen Chinesinnen. Vielleicht muss ich das noch hinzufügen: Mir gefällt in China, dass andere Nationalitäten, also zum Beispiel Türken, nicht wie in Deutschland angepöbelt oder gar diskriminiert werden.

Der Spatzenkrieg
    ODER:
    Hun shui ye neng xi wu hui – Auch schmutziges Wasser wäscht den Schmutz
    Wie ein Arbeiter, der nach seiner ersten Nachtschicht am Tag schlafen soll, wälze ich mich wegen der Zeitverschiebung – in Deutschland säße ich jetzt beim Nachmittagskaffee – die halbe Nacht lang unruhig von einer Seite auf die andere. Noch bevor der Morgen graut, bricht das Bett zusammen. Der Matratzenboden fällt auf den Fußboden, und ich lege mich daneben.
    Gegen 7 Uhr klopft Klaus. Noch schlaftrunken, balanciere ich auf der Treppe vorsichtig an den Dachreiterfiguren vorbei nach unten. Klaus sitzt inzwischen, die Füße auf einen Hocker gelegt, Kaffee trinkend in einem großen Sessel vor dem Fernseher. Er sieht mit seinem gepflegten grauen Bart und dem langen flauschigen braunen Bademantel wie ein italienischer Lebemann aus und bietet mir »een Schälchen Heeßen« an.
    »Keinen chinesischen Tee am Morgen?«, frage ich.
    »Wir wohnen zwar in China, aber müssen wir deshalb auch wie Chinesen leben?«
    Im Fernsehen läuft »CCTV International« auf Englisch. Deutsche Sender kann er nicht empfangen. »Man wird schon am Morgen daran erinnert, dass wir uns auf der Deutschland gegenüberliegenden Seite der Erdkugel befinden.«
    Ein Dutzend Männer in grauen Jacken und klobigen Stiefeln trottet die Gasse vor dem Gartenzaun entlang. Ich entdeckeunter ihnen auch den Jungen, der mir salutiert hat. Er versucht nicht wie die anderen neugierig durch das hohe Fenster in unsere Stube zu schauen.
    Klaus sagt: »Wir sollten den Osterhasen aus dem Fenster nehmen und am Wochenende die Arzgebirgs-Mannle aus der Kiste holen und aufstellen. Es weihnachtet.«
    Eine Frau mit einem zweirädrigen, sie überragenden Müllwagen, an dem Schaufel und Rutenbesen und Eimer befestigt sind, lässt die laut gestikulierenden Männer vorbeigehen, kommt dann mit ihrem Gefährt noch einmal zurück, bückt sich mühsam – ichbilde mir ein, ihr Ächzen zu hören – und hebt die Plastiktüten auf, die sich Schaufel und Besen widersetzt haben. Auf ihrer grauen Jacke ist am Rücken ein großer bunter Glückskranich appliziert. Er reckt seinen Schnabel stolz in die Höhe.
    Klaus bringt seiner Frau einen Pott mit Kaffee hinauf in das Schlafzimmer. Während sie sich anzieht, duscht er und kommt sehr schnell, ohne die Dachreiterfiguren anzustoßen, zwei Stufen auf einmal nehmend und gut riechend, wieder nach unten.
    »China TV« wirbt inzwischen mit von der Sonne beschienenen grünbewachsenen Hügeln für chinesischen Tee und einheimischen Reisschnaps und informiert über das Wetter in allen wichtigen Hauptstädten der Welt und in den verschiedenen Zeitzonen Chinas: Tibet minus 15 Grad. Peking plus 1 Grad. Shanghai plus 10 Grad …
    Monika kann sich nicht entscheiden, ob zu ihrem hellblauen Pullover besser rote oder dunkelblaue dicke Perlen passen und ob sie Stiefel oder Hackenschuhe anziehen soll. Klaus stellt die Kaffeetassen in die Küche, packt seinen Aktenkoffer, drängelt Monika, endlich fertig zu werden, schaltet im Auto zuerst die Heizung und dann den CD-Player an. Silly »Alles Rot«. Bei »ich und ich waren einander schon so fremd …« und »halt dich fest an was Festem, bild dir ein, dass es hält …« dreht er die Musik lauter. An der Mautstelle sucht er die Schranke, vor der die wenigsten Autos warten, flucht über den wieder verstopftenAirport-Expressway, überholt mit 120 km/h auf dem Radweg, wird bei Rot im Pulk Schritt für

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