Madita
herzzerreißend.
»Ich will auch einen Ausflug machen und auf einem Berg
sitzen und Butterbrote essen!«
Da tut sie Madita leid.
»Wir können zusammen einen Ausflug machen«, sagt Madita,
»wir beide allein.«
Lisabet weint noch ein bißchen, sicherheitshalber, dann guckt sie auf, die Augen noch voller Tränen.
»Und auf einem Berg sitzen?« fragt sie.
»Vielleicht«, sagt Madita, »wenn wir einen finden.«
»Das war lieb von dir, Madita«, sagt Mama. »Ja, ihr beide macht einen Ausflug. Das wird doch fein, nicht, Lisabet?«
Mama findet, daß es gerade heute ausgezeichnet paßt, denn 34
Papa und sie sind bei Berglunds zum Mittagessen eingeladen.
»Wir packen einen Korb voll, und den nehmt ihr zu einem
hübschen Plätzchen mit«, sagt Mama und streichelt Lisabet dabei die Wange.
»Auf einen hübschen Berg«, verbessert Lisabet sie.
Mama holt den roten Spankorb vom Regal in der Speisekam-
mer und packt viele gute Dinge hinein: kleine Fleischklößchen, Würstchen, ein paar hartgekochte Eier, ein Stück Apfelkuchen, eine Flasche Milch und zwei Zimtwecken.
»So viel Gutes kriegt ihr bei Berglunds bestimmt nicht«, sagt Madita zu Mama.
Aber Mama hat es eilig. Sie setzt sich den Hut auf und zieht den Mantel an, und währenddessen ermahnt sie Madita.
»Und lauft mir nicht zu weit weg, und sagt Alva, wohin ihr geht.«
Und zu Alva sagt sie:
»Paß mir gut auf die Kinder auf, solange ich fort bin.«
»Gewiß doch, mach ich schon«, sagt Alva.
Und dann geht Mama fort.
Madita und Lisabet nehmen den roten Korb zwischen sich.
Jetzt wird hier ein Ausflug gemacht!
»Wo ist denn nun ein Berg?« möchte Lisabet wissen.
Madita bleibt auf der Verandatreppe stehen und überlegt.
Nein, so ganz in der Nähe gibt es keinen Berg, und Mama hat gesagt, daß sie nicht weit fortlaufen dürfen. Aber lange braucht Madita nicht zu überlegen, ihr kommen ja die Einfalle so rasch, wie ein Ferkel blinzelt. Und jetzt ist ihr etwas eingefallen. Ihr ist eine Geschichte eingefallen, die Mama ihnen einmal vorgele-sen hat. Sie handelte von zwei Kindern, die einen Ausflug machen wollten, genau wie sie beide jetzt, und die hatten einen ganzen Korb voll Eierkuchen mitbekommen. Aber statt 35
in den Wald zu gehen und sich da hinzusetzen, kletterten die beiden auf das Dach vom Schweinestall, und alle Eierkuchen purzelten zu dem Schwein hinunter. Es war eine sehr komische Geschichte.
»Du, Lisabet«, sagt Madita, »einen Berg gibt’s hier nicht, aber wir können auf das Dach vom Holzschuppen klettern.«
Lisabet hüpft vor Freude in die Höhe.
»Genau wie die Kinder in der Geschichte«, sagt sie erfreut.
»Bloß Eierkuchen haben wir nicht.«
»Nein, und ein Schwein auch nicht«, sagt Madita. »Darum
schadet es auch nichts, wenn uns der Korb runterfällt.«
»Erlaubt Mama denn das?« fragt Lisabet.
Madita denkt nach.
»Mama hat gesagt, wir sollen zu einem hübschen Plätzchen
gehen, aber nicht weit weg. Und das Schuppendach ist doch ein hübsches Plätzchen, und Aussicht hat man da auch. Genauso schöne, wie wir am Mittwoch haben werden.«
Gerade da kommt Alva herbeigerannt.
»Wo wollt ihr hin?« fragt sie. »Ich muß das wissen.«
»Nicht weit«, antwortet Madita. »Wir bleiben hier auf Birkenlund.«
Lisabet kichert.
»Gar nicht weit. Wir wollen nämlich...«
»Psst, still«, zischt Madita. »Ich hab ja gesagt, wir bleiben hier.«
Und das ist Alva nur recht. Dann kann sie in aller Ruhe weiter-bügeln.
Am Giebel des Holzschuppens steht eine Leiter. Darauf ist Madita schon oft zum Dach hinaufgeklettert und dort oben bis zur Waschküche balanciert. Denn Nilssons haben einen Birnbaum, und dieser Birnbaum streckt seine Zweige bis über das 36
Dach der Waschküche, und süße, kleine Augustbirnen ißt
Madita sehr gern.
Auch Lisabet steigt hin und wieder einmal auf die Leiter, aber nur auf die untersten Sprossen. Jetzt soll sie bis ganz nach oben klettern und dort auf dem Dach sitzen. Das ist herrlich und schaurig zugleich, aber das gehört wohl zu Ausflügen
dazu, denkt Lisabet. Madita klettert voran, und sie trägt den Korb. Trotzdem geht es so rasch und leicht.
Lisabet krabbelt zögernd hinterher, und je höher sie hinauf-kommt, desto langsamer geht es. Schließlich schafft sie es doch, die Nase über den Dachfirst zu recken, und da sieht sie Madita schon da oben sitzen und alle guten Dinge auspacken.
Aber plötzlich findet Lisabet gar nicht mehr, daß das Dach ein hübsches Plätzchen ist. Nein, ein Berg wäre
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