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Madru

Madru

Titel: Madru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Hetmann
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sei nur gekommen, um von Madru Abschied zu nehmen, sagte sie rasch. Dann redete sie allerlei, einfach, um zu reden, ohne ausdrücken zu können, was sie eigentlich sagen wollte.
    Sie werde sich gern an diesen Abend erinnern, sagte sie beispielsweise. So leicht und aller Sorgen ledig habe sie in ihrem Leben noch nie getanzt. Jetzt sei sie Sunderman versprochen. Sie werde ihn heiraten.
    »Knüppel-aus-dem-Sack‹, sagte Madru, »den Teufel wirst du tun, Mädchen. Das lasse ich nicht zu.«
    Sie sah ihn bestürzt an.
    »Du wirst selbstverständlich mich heiraten, wenn es schon eine Heirat sein muß«, sagte er, »alles andere kommt gar nicht in Frage. Willst du dich unglücklich machen?«
    »Sieh mich nicht so an«, sagte sie vorwurfsvoll, »wenn du mich so ansiehst wie eben, bin ich wie gelähmt und du könntest mit mir tun, was du willst.«
    »Das ist gut. Das ist sehr gut«, sagte Madru und rieb sich lachend die Hände, »ich weiß, was ich mit dir tun will!«
    Sie hatten sich auf dem Friedhof verabredet, wie es damals unter jungen Leuten üblich war, die sich beim Tanz kennengelernt hatten. Die Kirchentür war nicht abgeschlossen. Sie betraten die Kirche und setzten sich auf eine Bank. Madru begann, Gunilla seine Geschichte zu erzählen. Von seiner Liebe zu Alissa, von dem mißglückten Versuch, ins Totenreich einzudringen und wie er dabei genarrt worden war. Auch von der Schwarzen Köchin. Nur von seinem letzten Gespräch mit Bru, nachdem er mit Allwiss durch die Spiegel gegangen war wie durch Wasser, erzählte er ihr nichts. Bru hatte ihm den Auftrag gegeben, in den Großen Wald zurück-zukehren. Sie hatte angedeutet, daß die beiden Inschriften auf dem versteinerten Baum einen Sinn hatten. Ihre Worte waren vage gewesen. Er hätte sie genauer fragen sollen. In der Aufregung hatte er nicht den Mut dazu gefunden. Es war ihm auch, als habe sie ihn mit Absicht über vieles im unklaren gelassen.
    „Kannst du dir eine Welt ohne Wald vorstellen, ohne Bäume?« fragte Madru in der Kirche Gunilla.
    »Wie kommst du nur darauf«, sagte sie und schüttelte den Kopf, »nein, das wäre eine Welt ohne Schönheit und ohne Hoffnung.« »Und doch willst du einen Mann heiraten, der den Wald abholzen läßt.«
    »So kannst du das doch nicht sehen!«
    Er empfand manchmal Furcht, daß das Ende des Waldes näher sei als alle meinten, daß er zu wenig für den Wald gekämpft habe. Für den Wald oder für die Menschen, die in ihm wohnten.
    Sie waren aufgestanden und liefen in der Kirche umher. Es war seltsam für Madru – dieser Tempel von Menschen, die an einen anderen Gott glaubten, die die Geschichte von der Schöpfung der Welt anders erzählten, die der Frau die Schuld gaben an der Vertreibung aus dem Paradies. Für ihn waren Frauen dem Paradies nahe. In der Liebe war Paradies, im Stillstand der Zeit. In der Vergessenheit. Madru blieb stehen. Er umarmte Gunilla. Sie ließ es geschehen. Seine Hand schob sich unter ihr Kleid. Die Hand suchte ihre Brüste. Sie waren rund und voll. Er küßte Gunilla. Zuerst blieb sie starr und abweisend, erinnerte ihn und sich immer wieder murmelnd daran, daß sie Sunderman versprochen sei. Langsam kam Lebendigkeit über sie. Madrus Angst vor dem Ende der Welt verlor sich. Gunilla erwiderte seine Küsse.
    Er ließ plötzlich die Arme sinken und sagte: »Ich liebe dich, Gunilla. Du liebst mich. Was zählt denn sonst?«
    Sie nickte, schien überzeugt.
    »Ich habe kein Geheimnis vor dir gehabt. Du kennst die Geschichte meines Lebens so gut wie ich sie kenne.«
    Das log er. Er dachte wieder an das Gespräch mit Bru, an die Bedeutung der beiden Inschriften. Warum log man so oft in der Liebe? Warum heuchelte man Ehrlichkeit. Aus Angst, dachte er, aus Angst, der Besiegte zu sein und nicht der Sieger.
    »Wir sind uns rasch sehr nahe gekommen«, sagte sie. Sie hatte manchmal eine Art geziert zu reden, die ihn zusammenzucken ließ.
    »Erzähl mir von dir,« forderte Madru.
    »Ach was«, sagte Gunilla.
    Er ließ nicht locker. Da redete sie.
    Der Vater war ein wohlhabender Mann gewesen. Die Mühle stand unten im Süden am Bodasjön, wo mehr Getreide wuchs. Als die Mutter starb, sei der Vater ein anderer Mensch geworden. Der Teufel habe ihm die Lust am Spielen eingegeben. Er habe sein gesamtes Vermögen verspielt. Dann habe er sich von Sunderman Geld leihen müssen. Gewöhnlich schicke Sunderman, um die Zinsen kassieren zu lassen, jene beiden Burschen vorbei, die man die »Schweinehunde« nenne. Neulich aber sei er

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