Madru
Gendarmen heiter davon. Später an diesem Tag spannen Madru und Jule Pläne, wie man die »Aurora« unter Einsatz von Madrus alten Reichstalern in eine richtige Zeitung umwandeln könne, in ein Sprachrohr der kleinen Leute. Madru dachte daran, in jeder Nummer einen Aufsatz über das Wunder der Bäume zu publizieren. Dafür war er bereit, Jules Grundkurs in Sozialismus hinzunehmen.
Es schien selbstverständlich, daß die Rote Jule über Nacht blieb. Was von der Flasche Aquavit nach dem Gendarmen-Besuch noch übrig war, hatten Madru und Jule inzwischen ausgetrunken. Bei der Vertrautheit, die sich zwischen der jungen Frau und Madru so selbstverständlich eingestellt hatte, wäre es ihm geradezu als Beleidigung erschienen, nicht zu versuchen, mit ihr zu schlafen. So ging er in das Zimmer, wo er für Jule ein Nachtlager gerichtet hatte. Sie aber wies ihn schroff ab. Eine Beschimpfung der Männer ergoß sich über ihn. Er hörte eher belustigt als betroffen zu. Sie schrie, sie mache sich nicht das Geringste aus Männern, werde sich nie etwas aus Männern machen, erzählte von zwei Vergewaltigungen durch Wächter im Arbeitshaus und endete mit der Feststellung, überhaupt seien Frauen zu Frauenviel zärtlicher als Männer. Achselzuckend trat er den Rückzug an.
Madru schlief in dieser Nacht also allein, aber ehe er einschlief, ging ihm allerlei durch den Kopf. Er fand Jule trotz, vielleicht auch wegen der Zurückweisung und ihrer Gefühlsaufwallungen, amüsant und liebenswert. Er stellte sich aus der Erinnerung ihr Gesicht und ihre Frisur vor. Dieser lange, um ihren Körper schlotternde, am Boden schleifende Mantel, den sie angehabt hatte, fiel ihm wieder ein. Er dachte darüber nach, daß ihr rotes Haar von einem ganz anderen Rot war als das kupferrote Haar Alissas. Er sah deutlich die blasse Farbe ihrer Haut … etwa die Farbe von entrahmter Milch. Er konstatierte, wie mager Jule war, daß sie kaum Hintern habe und vorn flach sei wie ein Bügelbrett. Ich mag sie, dachte er.
Am nächsten Morgen wanderten sie durch den Wald nach Färila. Bei einem Gespräch mit Björn tranken sie zu dritt zwei Flaschen Schnaps aus. Danach war es beschlossene Sache, die »Aurora« als Wochenendblatt erscheinen zu lassen. Madru hatte vorgeschlagen, nun auch eine Lizenz zu kaufen. Björn wurde als Drucker mit einem Monatslohn angestellt.
Für die Lizenz und die Vorauszahlung von vier Monatsgehältern, um die Björn gebeten hatte, weil er voller guter Vorsätze seine Schulden zahlen wollte, ging dann etwa ein Drittel der alten Reichstaler drauf. Madru dankte Bru, daß er das Geld besaß. Er fand im übrigen, er habe es ganz im Sinne seines Auftrags investiert. Die neue »Aurora« erschien in einer Auflage von tausend Exemplaren.
Bis Ende Juli hatten sich die Herstellung und der Vertrieb der Zeitung gut eingespielt. Anregend empfand Madru lange philosophische Gespräche mit Jule, bei denen ihm langsam klar wurde, was er alles über die neue Zeit, in die er geraten war, nicht wußte. Ihr Verhältnis zueinander war kameradschaftlich.
Und dann ereignete sich jener Zwischenfall, der den Herrn Redakteur, wie die Leute in Färila sich Madru nun zu nennen angewöhnten, in einen Zustand weitgehender Unzurechnungsfähigkeit versetzte.
Die »Aurora« war wieder einmal termingerecht am Freitagnachmittag fertig geworden. Während Jule die übliche Tour in Färila und dessen Umgebung selbst übernahm, ging Björn nach Ljusdal hinüber, wo sie bisher noch nie die »Aurora« abzusetzen versucht hatten. Es gab dort eine bürgerliche Tageszeitung. Sie gehörte, wie so manches andere, Sunderman. Es war ein Gang in die Höhle des Löwen, ein Wagnis, daß sie nur deswegen eingingen, weil sie sich ausgerechnet hatten, sofern sie ohne Behinderung in Ljusdal drei- bis vierhundert Exemplare loswurden, konnten sie den Jungen, der bei ihnen in letzter Zeit stundenweise ausgeholfen hatte, fest einstellen.
Madru spielte am Abend auf einem Tanzvergnügen in Lassekrog. Es waren drei Fiedler verpflichtet, die manchmal zusammen aufspielten, dann wieder auch allein auftraten.
Gegen halb zehn, unter den Tanzenden ging es schon lockerer zu, kam ein älterer Mann im Sonntagsgewand mit einem auffällig schönen Mädchen mit weißblondem Haar herein. Sie setzten sich an einen Tisch ziemlich weit entfernt von der Tanzfläche. Nach einer Weile kam es Madru vor, als ob das Mädchen, geradezu darum bittend aufgefordert zu werden, zu ihm hinblickte. Er erkundigte sich bei seinen
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