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Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon

Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon

Titel: Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon
Autoren: Jacob Wendt Jensen , Deutsch von Janine Strahl-Oesterreich
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anderen die Führung, erzählt Henning: »Vorher stand Vater immer an vorderster Front und steuerte das Ganze. Als Mutter an der Universität zu studieren begann und er etwas weniger zu tun hatte und langsamer wurde, zeigten sich sein Respekt und seine Demut gegenüber dem Rest der Familie deutlicher. Er wurde redseliger und aufmerksamer und philosophierte gern. Das war ein ganz anderer Ton, als wir ihn aus unserer Kindheit in den Sechzigern kannten.«
    Im Alter nahmen die Eltern die Tradition des Familiensonntags wieder auf. Die Kinder führten zwar ihr eigenes Leben, und manche aus der ältesten Generation lebten nicht mehr, aber wer konnte und mochte, fand sich sonntags um 13 Uhr bei Ove und Eva ein. Es gab warmes Mittagbrot, Kaffee und Kuchen und fast immer ein Quiz. Meist über Filme, aber auch über andere Themen aus Kultur, Literatur oder Theater. Die Fragen hatte sich Eva ausgedacht, und die Runde um den Couchtisch wetteiferte um die schnellste Antwort. Mitunter fühlten sich die Freundinnen der Söhne ein wenig ausgeschlossen, wenn sie gefragt wurden, wer der Kameramann in Orson Welles’ »Der dritte Mann« war oder Details aus Charlie Chaplins Kurzfilmen wissen sollten. Die Eltern hatten Spaß daran, und die Söhne waren ganz nach ihnen geraten. Faktenwissen war die erste Fremdsprache des Sprogøe-Clans.
    Eva und Ove sorgten auch zu Weihnachten für eine ganz besondere Stimmung. Zu ihren festen Ritualen gehörte der Verzehr von Gänsekleinsuppe. Unter den drei Jungen am Tisch entbrannte regelmäßig ein Wettbewerb, wer die meisten Teller Suppe gegessen und die meisten Hälse gesammelt hatte. Wenn die Weihnachtsgeschenke ausgepackt waren, wickelte Ove die Bänder sorgfältig zusammen und legte sie in einen Kasten. Eva und Ove warfen nichts weg. Sie bewahrten alles auf, ohne den Überblick zu verlieren, so dass ihr Heim immer wohlgeordnet wirkte, obgleich es von Nippes nur so überquoll.
    Ihr Haus stand zu Weihnachten allen offen, ob es der Witwer von Asta Nielsen, Christian Theede oder Svens Exfrau Anne mit ihrem zweiten Kind war. Ove und Eva waren liberaler als andere ihrer Generation und beharrten darauf, dass für alle Frauen und Exfrauen Platz sein musste. Gehörte man einmal zur Familie, war es für immer. »Der kleine Weihnachtsabend«, der 23. Dezember, war den Schauspielkollegen vorbehalten wie Ghita Nørby, Lone Hertz, Henning Moritzen und Christoffer Bro. Als Ove und Eva in späteren Jahren keine Lust mehr hatten, so viele Leute auf einmal zu sehen, gaben sie die Familienweihnacht an Henning und Anne weiter.
    Nach und nach kamen auch die Enkelkinder, und bis auf das siebente und letzte lernten Ove und Eva alle kennen. Schwiegertochter Anne Fletting war eine der wenigen, die sich traute, Ove zu widersprechen, selbst wenn er kurz vorm Explodieren war. Die beiden hatten sich wahnsinnig gern, und Ove nahm im Alter immer Annes Hand, um sich in größeren Runden geborgen zu fühlen. Eines Sonntags aber, als Enkel Mathias sechs Jahre alt war und mit seinen Eltern Anne und Henning zu Besuch in Tømmerup war, standen sich Ove und Anne plötzlich wutschnaubend gegenüber, erinnert sich Anne: »Wir gerieten uns selten in die Haare, aber wenn es passierte, dann ging das nicht leise ab. Ove war nicht mehr an kleine Kinder im Haus gewöhnt. Aber Mathias war ein sehr stilles Kind, da gab es also kein Problem. Er saß einfach da und lauschte mit seinen großen Micky-Maus-Ohren, um ja alles mitzubekommen. Häufig saß er auch stumm da und guckte sich die Oldtimer-Modelle an, die Ove auf einem Regal zu stehen hatte. Die fand er unheimlich interessant. Er saß fast auf seinen Händen, um sie ja nicht zu berühren, aber er sehnte sich nach nichts anderem. An dem Tag nun hatte Ove ein Duplikat von einem der Autos bekommen und ließ Mathias unter der Bedingung damit spielen, leise zu sein.«
    In der Zwischenzeit ging die Familie für ihren Kaffee in ein anderes Zimmer, und Ove erzählte von irgendetwas, das er ganz fantastisch fand. Er stand mitten im Zimmer, gestikulierte mit Armen und Beinen, machte plötzlich einen Schritt zurück  … »knacks«: Der Oldtimer war kaputt!
    »Bist du nicht ganz richtig im Kopf, Junge? Du kannst doch damit nicht auf dem Fußboden spielen! Das ist Kunst!«, brüllte Ove und machte Miene, weiter zu toben, während Mathias völlig verdattert aus der Wäsche guckte. Er hatte ja überhaupt nichts getan. Das war Ove, der sich die ganze Zeit wie ein Hampelmann aufgeführt hatte, erzählt
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