Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon
Anne: »Und ich kann es nicht aushalten, ich räuspere mich und brülle zurück: ›Wenn hier einer nicht ganz ordentlich im Kopf ist, dann bist du das, verdammt noch mal!‹ Es war still im Raum. Die ganze Familie war auf einmal verschwunden. Nur Ove und ich waren übrig geblieben. Ich saß am Tisch und starrte ihn an, und er stand vor mir und schnaufte. Ich blieb ganz still sitzen. Und dann holte er tief Luft und sagte einen Augenblick später ganz leise: ›Du hast recht.‹«
Heute stehen die Oldtimer-Modelle bei Mathias im Zimmer. Das Haus seiner Großeltern in Tømmerup hat er immer als Abenteuerspielplatz vor Augen, sagt er: »Als wir kleiner waren und Ove noch besser beieinander, nahm er sich manchmal eine Stunde Zeit, um mit uns zu spielen. Er redete immer in einer ausgedachten Volapyk-Sprache zu uns. Meine Eltern waren am Ausflippen, weil sie die schon tausend Mal gehört hatten, aber wir Kinder fanden es lustig. Uns brachte er damit zum Lachen. Und dann freute er sich auch immer, wenn wir gemeinsam Kuchen aßen. ›Muuum‹, schallte es durchs ganze Haus, und später erfuhr ich, dass er dieses Wort in ›Da geht’s hoch her‹ benutzt hatte, wenn er als Meinungsforscher mit langer schwarzer Perücke bei Dirch Passer klingelte.«
War der Kuchen gegessen und die Brause getrunken, zog es die Kinder zu den verborgenen Winkeln des Hauses, zum Schuppen im Garten und besonders auf den Dachboden im Haus, wo immer noch altes Spielzeug der Eltern herumstand. Überall gab es etwas zu entdecken, vom Reisegrammofon bis zum Zinnflugzeug. »Das war wie in einem Museum, wo die Gegenstände die ganze Zeit gehegt und gepflegt werden, aber nicht wirklich benutzt. Im alten Pferdestall stand ein Einarmiger Bandit, daneben eine Schüssel, randgefüllt mit 25-Øre-Münzen. Wenn man kein Geld mehr zum Spielen hatte, konnte man den Automaten hinten aufmachen, die 25-Öre-Münzen wieder herausholen und von vorn beginnen. Wir Kinder hatten immer ein ganz festes Programm, was wir dort alles unternehmen wollten. Das alles war für uns wie im Märchen.«
Märchen ist das Schlüsselwort für das Haus in Tømmerup, meint auch das älteste Enkelkind, Charlotte Sprogøe, heute Kunst-Kuratorin in Kopenhagen: »Dass ich mit Kunst zu tun habe, verbinde ich nicht direkt mit Oves Kunstinteresse, aber ich habe von meinen Großeltern doch diese wertvolle Dimension im Leben mitbekommen. Von ihnen lernte ich, dass hinter allem noch eine Fantasie- oder Märchendimension liegt. Man braucht nicht über die langweilige Wirklichkeit zu reden, man kann über das Märchen dahinter sprechen. Ove hatte die Gabe, in den kleinen Dingen des Alltags die Poesie zu sehen. Ob man nun einen Karamellkuchen genoss oder einen Vorgarten mit weiß angemalten Steinen betrachtete. Ove und Eva machten etwas Besonderes aus den kleinen Dingen. Also, wenn du ein volltönendes, langgezogenes ›Muuum‹ sagst, dann schmeckt der Karamellkuchen plötzlich noch mal so gut.«
In ihrer Erinnerung wurde bei den Besuchen in Tømmerup immer gespielt. Entweder versteckte sich jemand im Schrank, sprang wieder raus oder einer setzte sich eine Maske auf und vollführte einen wilden Stammestanz. »Ove war ziemlich albern, da war nicht so viel von Autorität oder Großvater-Aura. Er hatte immer eine Zerstreuung auf Lager, und ansonsten flirtete er mit Eva: ›Oh, bist du schön!‹ Oder: ›Jetzt kommt die Mutter wieder zur Tür herein … , nein, wie gut sie wieder aussieht!‹ Einmal wurde ich im Kindergarten mächtig ausgeschimpft, weil mich Ove ganz unpädagogisch beeinflusst hatte. Wenn meine Großeltern da draußen auf mich aufpassten, gab es mittags immer einen großen Teller mit belegten Schwarzbroten. Die aß Ove immer reihum, von jeder Scheibe erst einen Bissen und dann wieder von vorn, von jeder Scheibe den zweiten Bissen, wie in einer Spirale. Das machte ich ihm natürlich nach. Und ich machte es auch danach im Kindergarten, und da bekam ich dann einen Anpfiff. Das ist doch totaler Quatsch – hieß es.«
In den Augen eines Heranwachsenden war Eva die Strenge und Ove der Spaßvogel, aber untereinander hatten sie ein gutes Verhältnis und verstanden es, eine schöne Familienatmosphäre, ja, fast eine Clanstimmung zu verbreiten, sagt Charlotte: »Die Familie wurde geehrt und die Ältesten hoch geachtet. Wenn ich mit meiner Mutter herummotzte, war Ove sofort zur Stelle und verlangte, dass ich mich gefälligst vernünftig gegenüber meiner Mutter zu verhalten hätte. Und
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