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Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon

Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon

Titel: Mächtig gewaltig, Egon - Jensen, J: Mächtig gewaltig, Egon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacob Wendt Jensen , Deutsch von Janine Strahl-Oesterreich
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Stimmung und gegen die Schmerzen in seinen Knien.«
    Einen der wenigen Ausflüge ins Kopenhagener Stadtzentrum unternahmen Eva und Ove, als ihr Sohn Henning 2003 Intendant des Folketeatret wurde. Er hängte ein Porträt von Henrik Scharling, dem Autor von »Zur Neujahrszeit in Nøddebo«, in seinem Direk­torenbüro auf und fragte seine Eltern, ob sie nicht einmal zu Besuch kommen wollten: »Nach den üblichen Entschuldigungen mit Gicht und zu hohen Treppen sagten sie endlich zu und kamen mit einem Taxi zum Theater. Als mein Vater die Treppen sah, lächelte er nostalgisch und seufzte. Er war ja fast sechzig Jahre lang dieselben Treppen rauf- und runtergelaufen, und nun kroch er sie langsam hoch. Ich hatte Karamellkuchen und Schnaps bestellt, und wir aßen und tranken, ohne viel dabei zu reden. Eva und Ove wirkten nicht sonderlich beeindruckt, freuten sich aber doch, mich dort zu sehen.«
    Nach einer halben Stunde schlichen sie sich aus der Tür, die Treppe hinunter und zum Tor an der Straße. Das Eisentor war zu schwer für sie geworden. Das öffnete der Sohn für sie.
    Fast jeden Sonnabend gingen Ove und Eva für ihr Mittagbrot in das Dragør-Bistro. Auf der Speisekarte standen traditionelle dänische Gerichte wie Krustenbraten, Hacksteak und auch mal gebratener Aal. Das Publikum bestand hauptsächlich aus Stammgästen, die reichlich tranken und meckerten.
    Eva und Ove kamen Arm in Arm und setzten sich in die Mitte des Lokals. Sie mit Kleid und Hut, er in grauem Anzug mit gelber ­Krawatte. Die Stammkunden grüßten sie, sprachen sie aber nicht weiter an. Die beiden saßen für sich, wie es ältere Ehepaare im Restaurant zu tun pflegen. Doch im Unterschied zu den meisten unterhielten sie sich miteinander. In der Küche stand der Besitzer und beobachtete sein Lokal. Seine Gäste mussten immer erst antworten, ob sie Schweden oder Dänen waren. Kamen sie aus Schweden, erhielten sie nur eine kleine Portion. Dafür bekamen Ove und Eva das Beste, was das Haus zu bieten hatte, und einen Fernet Branca dazu. Im Gegensatz zu den meisten anderen Gästen gaben sie dem Kellner Trinkgeld. Die beiden hellten mit ihrer Anwesenheit die elende Umgebung auf, erinnert sich der junge Mann: »Wie zwei Yodas aus Star Wars, für die es das Geilste in der ganzen Galaxie ist, zusammen ins Dragør-Bistro zu gehen.«
    Wenn der Gärtner ans Fenster klopfte, um seine Bezahlung zu fordern, erhob sich Ove Sprogøe von seinem Sessel im Keller und rief nach Eva. Oves Knie waren verschlissen, außerdem verlor er im Alltag schon ein bisschen den Überblick.
    »Vielleicht waren sie gerade beim Zahnarzt gewesen und anschließend im Supermarkt einkaufen, und wenn man dann fragte, ob man sie am nächsten Tag besuchen könne, überschauten sie das nicht mehr so richtig«, erzählt Henning. »Sie wollten sich gern darauf vorbereiten, aber das machte ihnen Mühe, denn dann konnte Vater nicht nur mit den Füßen auf dem Kissen sitzen. Deshalb kam ich oft unangemeldet, und auch wenn sie erst mal etwas stutzten, saßen wir dann ganz gemütlich zusammen. Nur wenn Kinder dabei waren, bekamen sie Stress.«
    Ove und Eva hatten es gut miteinander. So gut, dass sich Kinder und Enkelkinder fast überflüssig vorkamen, sagt Henning: »Sie wollten ihre Ruhe und täglich zur selben Zeit ihren Mittagsschlaf. Abends tranken sie warmen Aquavit, und dann lief so was wie Musik zwischen ihnen hin und her. Man spürte deutlich, dass man störte. Wenn man gegangen war, konnte man durch das Fenster sehen, dass sie sich wieder behaglich zurechtsetzten.«
    Nach wie vor steckten Einladungen zu Theaterpremieren, Filmpremieren und runden Geburtstagen im Briefkasten. Pflichtschuldigst schrieb Ove eine Postkarte mit ein, zwei freundlichen Sätzen – und sagte ab.
    Auch über seine eigenen Jubiläen ging er leicht hinweg. Weder sein 50-jähriges Schauspielerjubiläum 1995 noch sein 80. Geburtstag im Jahre 1999 waren ihm ein großes Fest wert. In all den Jahren hatte er auf Erik Ballings Aufforderung seine runden Geburtstage bei Nordisk Film gefeiert, aber sein 75. Geburtstag war der letzte.
    1999 wurde er ins Imperial-Kino zur Bodil-Preisverleihung eingeladen, um einen Ehren-Bodil in Empfang zu nehmen. Das konnte er nicht absagen, obgleich er sich schon seit längerem in größeren Ansammlungen unwohl fühlte. So wies Eva die Familie an, im Kino einen Kreis um ihn zu bilden und seine Bodyguards zu spielen. Er ertrug den direkten Kontakt zu fremden Menschen nicht mehr.
    Mittlerweile

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