Maechtig, mutig und genial
Frauenwahlrecht beriet. Zwar gehörte es zu den üblichen Aufgaben der Präsidentengattin, Wohltätigkeitsveranstaltungen beizuwohnen, doch die Häufigkeit der Auftritte Evas sowie die Tatsache, dass sie diese unabhängig von ihrem Mann und von der traditionellen Wohlfahrtsorganisation, der
Sociedad de Beneficencia
, unternahm, widersprach den Regeln. Wenig später begann Eva, ihren Mann bei Auftritten vor der Arbeiterschaft zu vertreten und Sprechstunden in einem eigens für sie eingerichteten Büro abzuhalten. Nachdem Perón zum Staatsoberhaupt gewählt worden war, fiel Eva der Part zu, die charismatisch-klientelistische Verbindung zu den
descamisados
aufrechtzuerhalten.
Evita übernahm einerseits die üblichen Aufgaben einer Präsidentengattin, darüber hinaus jedoch andere, die völlig außerhalb des traditionellen Protokolls lagen. Hier mag ihr zugute gekommen sein, dass sie zuvor lange berufstätig und als Schauspielerin öffentliche Auftritte und Reden gewohnt war. Wichtiger war aber sicherlich, dass sie im Laufe der Jahre und vor allem, seit sie mit Perón zusammenlebte, ein politisches Projekt entwickelt hatte, das auch dasjenige ihres Mannes beeinflusste. Beide waren bald auch politisch so untrennbar miteinander verbunden, dass manche Historiker meinen, Eva sei peronistischer gewesen als Perón selbst. Evita behauptete stets, sie verdanke Perón alles und sie versuche nur an das Volk weiterzugeben, was dieser ihr ermöglicht habe. In einer Reihe vonReden hat sie immer wieder die Verbindung der eigenen Herkunft aus armen Verhältnissen mit ihrem als Präsidentengattin vehement ausgefochtenen Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit betont. Sie fühlte sich aufgrund dessen besonders befugt, als Mittlerin zwischen den
descamisados
und Perón, dem Führer der Partei und Präsidenten, zu agieren. Doch de facto war sie nicht nur die Mittlerin, sondern verfügte zunehmend über eigene Macht, und man kann ohne Übertreibung sagen, dass das peronistische Regime sich auf zwei letztlich voneinander abhängige Führungspersönlichkeiten stützte.
Peróns Aufstieg beruhte auf seinen Beziehungen zur Arbeiterschaft und zu den Gewerkschaften, vor allem zum Dachverband CGT
(Confederación General del Trabajo)
. Diesen band er durch eine ausgesprochen fortschrittliche Sozialpolitik an sich, die nicht nur für Lohnerhöhungen, sondern beispielsweise auch für billige Arbeiterwohnungen sorgte. Das dafür zuständige Arbeitsministerium besetzte Perón als Präsident dann aber lediglich mit einem unbekannten Gewerkschafter, die emotionale Verbindung zu den
descamisados
– seine wichtigste Machtgrundlage – übernahm hingegen seine Frau. Diese sorgte dafür, dass die Forderungen der peronistisch gesinnten Gewerkschaften schneller und unbürokratischer erledigt wurden, vermittelte in Arbeitskämpfen und förderte so die Peronisierung der Gewerkschaften.
Darüber hinaus gründete sie 1948 eine eigene Stiftung zur Unterstützung Bedürftiger. Ihre Gegner behaupteten später, sie habe dies getan, um sich an der traditionellen Oberschicht für die Erniedrigungen und die Verachtung zu rächen, die diese ihr entgegenbrachten, aber dies greift viel zu kurz. Zudem verfolgte sie mit ihrer Stiftung andere Ziele als nur philanthropische und arbeitete dort nicht als »Bevollmächtigte« Peróns (wie sie es selbst einmal ausdrückte), sondern in eigenem Namen.
Die
Fundación Eva Perón
, die von 1950 an in größerem Maße aktiv wurde, war zunächst nicht als Konkurrenzunternehmenzur staatlichen Sozialfürsorge gedacht, sondern hatte sich praktisch zwangsweise aus dem ungeheuer gewachsenen Engagement Evitas im sozialen Bereich ergeben, das eine stabile Organisation sowie einen gewissen rechtlichen Rahmen erforderte. Die Aufgaben der Stiftung reichten von kleinerer finanzieller oder materieller Hilfe wie der Verteilung von Kleidung oder Nähmaschinen bis hin zu sozialem Wohnungsbau und Stipendien. Hinzu kam die Errichtung von Schulen, Hospitälern, Erholungsheimen und Freizeitzentren wie Fußballanlagen. Finanziert wurden die vielfältigen Aktivitäten der
Fundación
einerseits vom Stiftungskapital, das aus Evitas persönlichem Vermögen stammte, vor allem jedoch aus Zuwendungen von Firmen oder Gewerkschaften. Inwieweit diese Spenden als freiwillig einzustufen sind, ist nicht auszumachen; vermutlich erfolgten sie häufig aus einer Art von »vorauseilendem Gehorsam« oder in der Erwartung, dafür an anderer Stelle belohnt zu werden. Denn Evita
Weitere Kostenlose Bücher