Maechtig, mutig und genial
gefühlsbetonter und treuer sei als der Mann, sei ihre politische Beteiligung für das Wohlergehen der Nation unumgänglich. Auf diese Weise ermöglichte der Peronismus den argentinischen Mittel- und Unterschichtfrauen, sich an der Politik zu beteiligen, ohne das bisherige Selbstverständnis in Frage stellen zu müssen. Andererseits erlaubte dies denjenigen Frauen, die bereits ein anderes Rollenverständnis entwickelt hatten und über die traditionelle Position hinausgegangen waren, sich in der Öffentlichkeit zu engagieren. So schwenkten denn auch einige Feministinnen ins peronistische Lager über.
Nach der Verkündung des Frauenwahlrechts und einer neuen peronistischen Verfassung gründete Evita 1949 eine eigeneFrauensektion innerhalb der peronistischen Partei, den sogenannten
Partido Peronista Feminino
(PPF), der neben der Gewerkschaft und der männlichen Partei die dritte Säule des Peronismus bildete. Evitas Frauenpartei wurde ein unglaublicher Erfolg. Ein Jahr nach ihrer Gründung zählte die Organisation bereits eine halbe Million Mitglieder und verfügte über 3 600 Ortsgruppen oder Parteizentralen. Um insbesondere die Unterschichtfrauen zu erreichen, baute der PPF zahlreiche Nachbarschaftszentren auf, sogenannte
unidades básicas
. Dort konnten die Frauen Sprach- und Nähkurse, Kurse in Erster Hilfe, Tanz oder Frisieren belegen, Lesen und Schreiben lernen oder medizinische sowie juristische Beratung erhalten, und währenddessen wurde für die Betreuung ihrer Kinder gesorgt. Darüber hinaus gab es Diskussionsrunden zu politischen und gesellschaftlichen Themen. Ähnlich wie bei Evitas anderen Aktivitäten ging es auch hier vor allen Dingen darum, die Menschen über konkrete Hilfen und persönliche Kontakte für sich zu gewinnen, statt durch bürokratische Hindernisse oder politische Diskussionen zu verschrecken. Der Erfolg dieses Konzeptes zeigte sich bei den Wahlen von 1951: 90 Prozent der wahlberechtigten argentinischen Frauen gingen zu den Urnen und 20 Prozent der peronistischen Abgeordneten waren Frauen.
Eva blieb bis zu ihrem frühen Tode die unangefochtene Führerin des PPF, nachgeordnet nur Juan Domingo Perón. Wichtiger aber blieben ihre Beziehungen zu den Gewerkschaften und die von ihr aufgebaute Stiftung, und in beiden spielten die Belange der Frauen eine zunehmende Rolle. Bereits 1944 hatte Perón eine eigene Frauenabteilung im Ministerium für Arbeit und Wohlfahrt eingerichtet, und 1949 wurde ein Dekret erlassen, das die Gleichbezahlung beider Geschlechter in der Textilindustrie vorsah, in der Frauen besonders stark vertreten waren. In anderen Industriezweigen gelang es nicht, das Prinzip »gleicher Lohn für gleiche Arbeit« durchzusetzen, doch zumindest erreichte man eine Verringerung der Differenz zwischen männlicher und weiblicher Bezahlung. Vor allem aberakzeptierten die Peronisten außerhäusliche Erwerbstätigkeit von Frauen, die so in »ehrbarer und würdiger Weise« sowohl zum Unterhalt ihrer Familie als auch zum Wohle des ganzen Landes beitrugen. Den
descamisados
und
descamisadas
wurde ein neues Selbstwertgefühl vermittelt, und auch dies stellt eine wichtige Grundlage für die emotionale Bindung der Arbeiterschaft an den Peronismus dar. Diese wurde allerdings auch durch die Kompromisslosigkeit gefördert, mit der vor allem Evita die bedingungslose Hingabe an die Sache des Peronismus forderte und dabei immer stärker religiöses Vokabular benutzte.
Auf der Höhe der Macht aber wendete sich für Evita das Blatt – sowohl im Persönlichen als auch im Politischen. Bei einer Blinddarmoperation entdeckte ihr Arzt 1950 Unterleibskrebs im Frühstadium. Evita weigerte sich jedoch, die Diagnose zur Kenntnis zu nehmen und weitere Untersuchungen zuzulassen. Stattdessen stürzte sie sich in die Arbeit und verdächtigte alle, die sie mahnten, an ihre Gesundheit zu denken, dass sie sie doch nur aus dem Weg haben wollten. Im politischen Bereich machten sich die ersten Probleme der Wirtschaftspolitik Peróns und die sich allgemein verschlechternde Lage bemerkbar. Dies schlug sich vor allem in einer steigenden Inflation nieder, welche die lohnabhängigen Arbeiter in Bedrängnis brachte. Es folgte ein großer Streik der Eisenbahnergewerkschaft, der den Export lahmlegte und damit das gesamte Land hart traf. Anders als in früheren Fällen gelang es diesmal selbst Evita nicht, den Streik beizulegen. Erstmals zeichneten sich aber auch Differenzen zwischen Eva und Perón in der Frage ab, wie man auf die
Weitere Kostenlose Bücher