Maechtig, mutig und genial
Sozialdemokraten, Kirchenvertreter und Landarbeiterorganisationen – hatten sich nach der Ermordung des fortschrittlichen Erzbischofs Óscar Arnulfo Romero am 24. März 1980 durch rechte Todesschwadronen zur
Frente Democrático Revolucionario
(FDR, dt.: Demokratisch-Revolutionäre Front) zusammengeschlossen und unterstützten die FMLN, die sich am10. Oktober 1980 eine gemeinsame Führungsstruktur gab und bis zu 30 000 Kämpfer unter Waffen hatte.
In der Guerilla lernte Ana Guadalupe ihren Mann Claudio Armijo kennen, der unter dem Namen »Comandante Chico« bekannt war. Die Hochzeitszeremonie wurde von der Guerilla ausgerichtet. Zwischen 1984 und 1990 bekam das Ehepaar drei Kinder. Auch während ihrer Schwangerschaften blieb Ana Guadalupe größtenteils bei der Truppe.
Ihr Mann leitete bei der großen Offensive der FMLN ab dem 11. November 1989 in der Hauptstadt die Einnahme des Hotels
Sheraton
, in dem der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten sowie einige US-Marines untergebracht waren. Die Kämpfe dauerten bis zum 12. Dezember und kosteten über 2000 Menschen das Leben. Beiden Parteien wurde von Menschenrechtsorganisationen vorgeworfen, die Zivilbevölkerung nicht genügend geschützt zu haben. Der Angriff auf San Salvador sowie auf andere Städte des Landes zeigte, dass zwischen Streitkräften und Guerilla ein Patt herrschte. Im Februar 1990 wurden dann Friedensverhandlungen aufgenommen, an denen Ana Guadalupe permanent beteiligt war, 21 Monate später wurde das Friedensabkommen unterzeichnet, im Februar 1992 trat ein Waffenstillstand in Kraft und am 15. Dezember erklärten beide Parteien offiziell den Bürgerkrieg für beendet. Er hatte fast 80 000 Opfer gefordert.
Nach Kriegsende war Ana Guadalupe Martínez Mitgründerin der neuen Partei FMLN und arbeitete zeitweilig für
Radio Venceremos
, deren Radiostation, sowie für ein Forschungsinstitut. Sie gehörte zudem der Kommission zum Wiederaufbau des Landes sowie der Verhandlungskommission für die Programme zur Wiedereingliederung der FMLN-Kämpfer in die Zivilgesellschaft an. Sie wurde 1994 ins Parlament gewählt, war bis 1997 dessen Vizepräsidentin und Mitglied des Außenpolitischen Ausschusses.
1994 verließ sie gemeinsam mit anderen Führungsmitgliedern die FMLN, weil sie die Position des kommunistischenFlügels der Partei, als zweitstärkste Fraktion auf die Parlamentsvizepräsidentschaft zu verzichten, um nicht mit der Rechten zusammenarbeiten zu müssen, als zu radikal befand.
Zudem nahm sie ihr Studium wieder auf. 1998 machte sie an der Universität von San Salvador ihren Abschluss in Präventivmedizin, bildete sich im gleichen Bereich an der Zentralamerikanischen Universität der Jesuiten weiter und belegte in Costa Rica Kurse über Wirtschaftspolitik. Seitdem hat sie verschiedene Studien zur Gesundheitspolitik vorgelegt, vor allem im Bereich der Präventivmedizin für Frauen und Kinder. Von 2000 bis 2009 war sie außerdem Mitglied des akademischen Beirats der nach dem Friedensschluss eingerichteten neuen Polizeischule, deren Absolventen besonders den Menschenrechten verpflichtet sein sollen.
Sie schloss sich 2003 erneut der Christdemokratischen Partei (
Partido Demócrata Cristiano
, PDC) an, die sich 2012 in
Partido de la Esperanza
(PES, dt.: Partei der Hoffnung) umbenannte. Als die Partei von 1984 bis 1989 mit José Napoleón Duarte den ersten gewählten Präsidenten nach 53 Jahren Militärdiktatur stellte, hatte sie diese noch bekämpft. Heute ist sie deren stellvertretende Parlamentsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende sowie Sprecherin des politischen Instituts der Partei. Obwohl sich Martínez heute als zur politischen Mitte gehörig bezeichnet, unterstützten sie und ihre Partei bei den Präsidentschaftswahlen 2009 die Rechte, da sie einen Sieg von Mauricio Funes und der FMLN verhindern wollten.
2010 machte sie gemeinsam mit dem ehemaligen FMLN-Kommandanten Joaquín Villalobos den inzwischen verstorbenen FMLN-Führer und ehemaligen Bürgermeister von San Salvador, Shafik Handal, sowie weitere ehemalige Kampfgenossen, die alle dem kommunistischen Flügel der Partei angehören, öffentlich für zahlreiche während des Bürgerkrieges begangene Menschenrechtsverletzungen und Ermordungen verantwortlich.
Ausgewählte Literatur:
Pamela Andriotakis: »Trained as a Healer, Ana Martínez Is the Che of El Salvador’s Deadly War«. In:
People
, 30.3.1981. Auf:
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