Maechtig, mutig und genial
gezeigt. Was mache ich hier?, fragte sie sich oft, wenn sie im Senat saß. Aber dann stürzte sie sich doch kopfüber in die Arbeit, weil sie der ihr übertragenen Verantwortung gerecht werden wollte. Oft war ihr jedoch ihre Schüchternheit ein Hindernis, sich gegen die Männer durchzusetzen, so ihr eigenes Empfinden. Sie setzte sich vor allem für Chancengleichheit für Frauen ein. Bei den Kongresswahlen 1994 wurde sie nicht wiedergewählt.
Sie ging daraufhin als Menschenrechtsbeauftragte für drei Jahre an die kolumbianische Botschaft in Spanien, wo sie auch ihre Memoiren schrieb. Nach ihrer Rückkehr arbeitete sie inder Nichtregierungsorganisation
Observatorio para la Paz
(Obserpaz, dt.: Observatorium für den Frieden) mit, die sich unter anderem um Alphabetisierung, Friedenserziehung, Eingliederung von Frauen aus Konfliktzonen in den Beruf sowie um Vorschläge zur Überwindung der politischen Gewalt kümmert.
2002 kandidiert sie für den
Polo Democrático
, dem sich etliche Mitglieder der M-19 angeschlossen hatten, als Vizepräsidentin, wird jedoch nicht gewählt. Danach kehrt sie an ihre alte Universität zurück, um dort einen Master in Geschichte zu machen. An der Universität von Granada in Spanien schreibt sie ihre Doktorarbeit zu einem Thema der Friedensund Konfliktforschung. Heute leitet sie das
Observatorio para la Paz
.
Ausgewählte Literatur:
Vera Grabe:
Razones de Vida
. Bogotá 2000. Sehr ausführliche und offene Autobiographie, die nicht nur die persönliche Geschichte der Autorin, sondern auch die der M-19 erzählt, diese allerdings nicht immer kritisch hinterfragt.
ANA GUADALUPE MARTÍNEZ
EL SALVADOR, *1952
Ana Guadalupe Martínez ist die bekannteste Politikerin El Salvadors. Sie gehörte ab 1973 dem
Ejército del Pueblo
(ERP, dt.: Revolutionäre Volksarmee) an, einer der fünf Guerillagruppen, die die
Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional
(FMLN, dt.: Nationale Befreiungsfront Farabundo Martí) bildeten. Sie war Mitglied der FMLN-Führung und am 16. Januar 1992 eine der Unterzeichnerinnen des Friedensvertrages zwischen Regierung und Guerilla, der den Bürgerkrieg beendete. Danach war sie stellvertretende Parlamentspräsidentin und engagierte sich für die Wiedereingliederung der Guerilla ins Zivilleben. Heute ist sie stellvertretende Parlamentsabgeordnete der Christdemokratischen Partei El Salvadors und eine ihrer beiden stellvertretenden Vorsitzenden.
Ana Guadalupe Martínez wurde am 19. Juni 1952 geboren. Ihr Vater war Offizier der Polizei und zählte zur Rechten. Mit 16 Jahren verlor sie ihre Mutter. 1969 schrieb sie sich an der Universität von San Salvador für Medizin ein und nahm erstmals an einer Demonstration gegen die Diskriminierung armer Studenten teil. Ihr Medizinstudium trieb sie immer weiter nach links: »Ich sah zu viele Kinder, die an leicht vermeidbaren Krankheiten wie Unterernährung, Darmproblemen oder Dehydrierung litten«, erläuterte sie in einem Interview. Sie fragte sich damals oft, ob es überhaupt Sinn machte, Medizin zu studieren, wenn die wirtschaftliche Situation des Landes sich nicht änderte. Bis heute leben trotz Wirtschaftswachstums 2,8Millionen der 5,7 Millionen Salvadorianer in Armut, und jährlich sterben nach Schätzungen der Vereinten Nationen immer noch 12 000 Kinder an den von Martínez damals beklagten Folgen dieser Armut, obwohl die FMLN, die sich nach dem Friedensvertrag in eine Partei umwandelte, seit dem 1. Juni 2009 mit Mauricio Funes erstmals den Präsidenten stellt.
Als 1972 Wahlen ausgeschrieben wurden, unterstützte Ana Guadalupe die
Partido Demócrata Cristiano
(PDC, dt.: Christdemokratische Partei) und ihren Kandidaten José Napoleón Duarte, der jedoch nach nur einem Tag von den Militärs aus dem Amt gejagt wurde. Damals habe sie gesehen, dass Wahlen keine Veränderung bringen würden, und gemeinsam mit anderen Studenten suchte sie nach neuen Wegen, das Land zu verändern, erklärte sie später. 1973 schloss sie sich, wie etliche junge Christdemokraten, der Anfang des Jahrzehnts gegründeten ERP an. Diese machte durch Entführungen, Banküberfälle und Bombenangriffe von sich reden. Ana Guadalupe wurde Kommandeurin der ERP für den Osten des Landes. Sie galt als hart, und es wird ihr nachgesagt, damals fünf Polizisten erschossen zu haben. Die Wahrheitskommission zur Aufarbeitung der während des Bürgerkrieges begangenen Menschenrechtsverbrechen warf ihr als Mitglied der ERP-Führung vor, zwischen 1985 und 1988 für die
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