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Mädchen im Moor

Mädchen im Moor

Titel: Mädchen im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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rund um die Baumgruppe herum und entdeckte so, daß sie auf einer kleinen Insel war, mitten im unwegsamen Moor, das niemand kannte als Rohrdommeln und Wildhühner, Moorratten und Biber, Frösche und Elstern.
    Mit letzter Kraft zog sie das Boot in das dichte Schilf und warf sich dann unter den Weiden auf die Erde. Bleierne Müdigkeit überfiel sie, sie kämpfte dagegen, sie zwickte sich, als ihr die Augen zufielen. Du mußt wach bleiben, schrie sie sich zu. Du darfst jetzt nicht einschlafen! Aber dann schlief sie doch, den Kopf gegen den Weidenstamm gelehnt.
    Fiedje Heckroth hatte unterdessen das Fehlen seines dritten Bootes gemerkt. Die Polizei rekonstruierte, einer der Offiziere las auf der Karte die Wasserwege nach. »Ganz klar«, sagte er. »Sie ist mit dem Kahn auf dem großen Kanal nach Norden gefahren und ist vielleicht bei Kirchhagen an Land. Gar nicht so dumm. Von Kirchhagen kann sie mit der Kleinbahn nach Boddenburg. Heckroth – wann fährt der erste Kleinbahnzug?«
    Fiedje Heckroth sah ins Moor hinaus. Heckroth, sagen sie. Einfach Heckroth! Wie beim Militär. Aber das ist vorbei, jawoll. Das ist endgültig und Gott sei Dank vorbei! Ich heiße Herr Heckroth und nicht anders. Und wenn sie das nicht können, wenn die deutschen Beamten nicht wissen, was Höflichkeit ist, so höre ich sie einfach gar nicht! Basta!
    Der Polizeileutnant tippte Heckroth an.
    »He, Sie!« sagte er. »Hören Sie nicht?«
    Heckroth drehte sich langsam um. Er sah auf den Finger des Polizisten, hob seine Hand und tippte den Leutnant ebenfalls an.
    »He, Sie!« antwortete er. »Was wollen Sie von mir?«
    Der Leutnant erstarrte. »Wohl leicht beklopft?« schrie er. »Was fällt Ihnen ein? Antworten Sie gefälligst! Wann geht der erste Kleinbahnzug?«
    »Auskunft Schalter zwei im Bahnhof Kirchhagen.«
    »Mann!« Der Leutnant holte tief Luft.
    »Ich heiße Heckroth!«
    Auch ein deutscher Beamter hat eine Stunde des Erkennens. Der Leutnant schluckte und schob die Unterlippe vor. »Herr Heckroth«, sagte er und legte auf das Herr eine dicke Betonung. »Wie ist das mit dem Zug?«
    »Der erste Wagen läuft um einhalb sechs Uhr für die Arbeiter in die Torfpresserei. Um sechs Uhr der nächste für die Arbeiterinnen in der Marinadenfabrik. Und dann jede Stunde ein Zug.«
    »Das Weibsstück kann also den Zug um sechs erreicht haben?«
    »Ohne weiteres.«
    Der Leutnant winkte einem Polizisten mit einem Sprechfunkgerät.
    »Geben Sie nach Kirchhagen und Boddenburg durch: Alles absperren! Suchen nach einem herrenlosen Kahn in der Umgebung von Kirchhagen. Flüchtige versucht, über Provinzialstraße nach Norden zu kommen. Wagenkontrolle für alle Peterwagen erbeten.«
    Der Leutnant trat einen Schritt zur Seite, während der Polizist mit seinem Funkgerät die Meldungen durchgab. »In ein paar Stunden haben wir sie! Das hier ist eine Falle! So etwas Blödes, aus dem Moor auszubrechen! Je einsamer die Gegend, um so eher hat man einen! Das ist eine alte Weisheit.«
    Fiedje Heckroth nickte. »Es ist gut, wenn die Polizei so weise ist –«, sagte er verträumt.
    Der Leutnant starrte ihn von der Seite an. Das ist entweder eine Gemeinheit oder ein ehrliches Kompliment. Um des Friedenswillen soll man sich für das Bessere entscheiden.
    Er ließ Heckroth wortlos stehen und ging zu seinen Polizeibeamten, die im Boden die Fußabdrücke Vivians mit Gips ausgossen. Es waren schöne Abdrücke, Muster für ein Kriminalmuseum.
    Nur von Nutzen waren sie nicht.

Vivian erwachte am späten Nachmittag. Frösche quakten um sie herum, zwischen zwei Drosseln war es zu einem Streit gekommen. Sie flogen gegeneinander und hackten mit ihren Schnäbeln aufeinander ein.
    Der Moorkahn im Schilf lag auf der Seite und war bereits zur Hälfte im Moor versunken. Brackiges Wasser schwappte über die hinteren Sitze. Beim Gleiten über den Moorschlamm mußte ihm von einer Baumwurzel ein Loch in den Boden gerissen worden sein, Wasser war eingedrungen und zog nun den Kahn unaufhaltsam in die faulige Tiefe.
    Mit einem lauten Schrei sprang Vivian auf und umklammerte das runde Heck des Moorkahnes. Sie wußte, wie sinnlos es war. Es gab kein Anhalten mehr, wenn das Moor zu saugen begann. Aber sie wehrte sich gegen das Wissen, daß mit dem Kahn auch ihre weitere Flucht versank. Sie würde eine Gefangene der winzigen, modrigen Insel werden, ein Mensch mitten im Moor, umgeben von kilometerweitem, nie betretenem Sumpf. Ein Mensch, der nie mehr in das Leben zurückkehren würde.
    Als sie das klar

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