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Mädchen im Moor

Mädchen im Moor

Titel: Mädchen im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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alles anders. Da hab ick gesagt: Behalt die Karte, du Saustück, und werd glücklich damit! Und nu is se mit ihr weg. Die kriegen Sie nie, Chef – die ist längst in der Stadt!«
    »Prost Mahlzeit!« Dr. Schmidt trat auf Hilde zu und zog sie an der Schürze zu sich heran. »Man sollte dir rechts und links ein paar runterhauen!«
    »Tun Sie's.« Hilde schloß die Augen. »Ick werd Ihnen auch nicht anzeigen wegen Gefangenenmißhandlung –«
    »Wann hast du Vivian zum letztenmal gesehen?«
    »Gestern noch. Ick hab das Untersuchungszimmer geputzt. Da lag sie nebenan im Bett und sagte: ›Hilde, mir ist so schlecht. Ich bin so schlapp. Aber das sag ich dir … den Kerl bringe ich um!‹«
    »Das Motiv!« Dr. Schmidt sagte es laut. Holger v. Rothen sprang auf. Sein Gesicht zuckte wild.
    »Meine Tochter will einen Menschen töten!« stöhnte er auf.
    »Mit dieser Erkenntnis müssen wir uns abfinden. Sie will es jedenfalls. Ob sie es jemals erreicht, liegt jetzt ganz allein bei uns! Hilde –«
    »Chef?«
    »Wer ist der Mann?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Du lügst!«
    »Ick schwöre, daß ick –«
    »Wenn du schwörst, ist das genauso, als wenn ein Wolf vor den Schäfchen tanzt! Du weißt es!«
    »Nee, Chef.« Hilde hob beide Hände. »Bestimmt nicht.«
    »Ich lasse dich wie Käthe Wollop zurück in die normale Strafanstalt verlegen, wenn du nicht die Wahrheit sagst! Es geht um ein Menschenleben!«
    »Und wenn Sie mir zerreißen lassen – ick weiß nichts.«
    »Raus!«
    Hilde Marchinski ging. v. Rothen und Dr. Schmidt wanderten unruhig im Zimmer hin und her. Vieles war jetzt leichter zu überblicken. Das Motiv, das Rätsel, warum man Vivian noch nicht gefunden hatte, der Weg, den sie nehmen wollte.
    Dr. Schmidt ging zum Telefon. Er mußte Dr. Fugger im Ministerium anrufen. »Es gibt keine andere Möglichkeit mehr«, sagte er zu v. Rothen, bevor er den Hörer abhob. »Wir müssen an die Öffentlichkeit gehen. Ich befürchte, Vivian ist längst nicht mehr im Wildmoor –«
    »Unmöglich!« v. Rothen sprang auf. »Mein Name in Suchmeldungen über Rundfunk und Fernsehen! Lassen Sie mich mit dem Ministerium sprechen, Doktor. Es muß doch andere Mittel der Fahndung geben.«
    »Es gibt jetzt nur eine einzige Fahndung, die schnell und wirksam ist: Der Aufruf an die Bevölkerung.«
    »Das ist mein gesellschaftliches Ende.« v. Rothen sank stöhnend in einen Sessel. Dr. Schmidt sah ihn plötzlich mitleidlos an.
    »Das wird es so oder so sein, Herr v. Rothen. Kommt Vivian durch, werden Sie der Vater einer Mörderin sein!«
    »Hören Sie doch auf!« v. Rothen legte die Hände über die Augen. »Rufen Sie in Gottes Namen an! Ich weiß keinen Rat mehr.«
    Die Antwort aus dem Ministerium war ein klares Nein! Keine Sensation! Abwarten.
    Resignierend legte Dr. Schmidt den Hörer zurück.
    »Nun können wir nur noch warten. Auf ein Wunder … oder auf eine Tragödie. Wir sind zu Statisten geworden –«
    Es war eine kalte, von einem zunehmenden Mond fahlhelle Nacht, als Vivian das Gut Wildmoor verließ.
    Sie hatte geduldig gewartet, bis es drei Uhr morgens war. Zwischen drei und fünf schläft der Mensch am tiefsten, hatte sie einmal gelesen. Aber um drei Uhr hörte sie in der Revierstube 2 Geräusche und stellte sich weiter schlafend. Erika Brunnert, die wegen einer Fleischwunde am linken Schienbein im Revier lag – sie hatte sich mit einer Rübenhacke ins Bein geschlagen – stand auf und humpelte auf die Toilette. Das Wasser der Spülung rauschte, Schlürfen auf dem Flur, Erika Brunnert humpelte zurück zu ihrem Bett, das Zuschlagen der Tür von Zimmer 2. Ruhe.
    Bis halb vier lag Vivian lauschend im Bett. Dann stand sie auf, zog sich an und verließ das Reviergebäude, als sei sie eine Besucherin. Im Schatten der Stallgebäude ging sie bis zum großen Tor, schob eine Leiter an die Mauer und überkletterte das letzte Hindernis in die Freiheit. So einfach war es, so völlig undramatisch. Dann stand sie draußen vor Gut Wildmoor, blickte noch einmal zurück und empfand ehrliche Traurigkeit, diesen Ort der Geborgenheit auf solche Weise verlassen zu müssen.
    Der bequemste Weg in die Freiheit, über die Provinzialstraße, war gleichzeitig auch der gefährlichste. Sie hatte sich alles genau überlegt, bis ins Detail war diese Flucht vorbereitet worden. Ein sofortiger Weg in die Stadt war zu schnell aufzurollen. Sie wußte, daß nur zwei Stunden Vorsprung vorhanden waren. Um sechs Uhr, beim Wecken, entdeckte man ihre Abwesenheit. In zwei

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