Mädchen im Schnee
Staubsauger angeworfen. Gabriellas Wut saß offensichtlich tief, stellte er fest, als er hörte, wie die Düse hart an Fußleisten und Tischbeine schlug.
Ernst warf den marineblauen, dicken Weihnachtsgeschenkmorgenmantel über, zog die Rollos halb hoch und sah hinaus. Der Himmel war hellgrau, und es schneite immer noch stark. Für Weihnachten wäre das Wetter passend, dachte er. Da hätte es heimelige, versöhnliche Gefühle erzeugt. Doch der Neujahrstag hatte etwas Forderndes an sich, das ihm die Laune verdarb. Mit der Ruhe war es vorbei.
Was sollte mit dem Haus geschehen? Gabriella würde es nie schaffen, allein hier zu wohnen. Doch dass er selbst hier wohnen blieb, war genauso undenkbar. Es war nicht sein Haus, war es nie gewesen. Der Hof war Gabriellas Lebensprojekt, er selbst war sich mehr wie ein Teil des Inventars vorgekommen. Und Hedda? Was würde aus ihr werden?
Als Ernst die Treppe hinunterging, war der Staubsauger verstummt, stattdessen hörte er den Fernseher. Das Neujahrskonzert aus Wien.
Gabriella hatte im Wohnzimmer das Bügelbrett aufgestellt und Haushaltspapier auf das große Leinentischtuch von Klässbols gelegt. Jetzt schob sie das Bügeleisen konzentriert hin und her. Wachsflecken. Wie oft hatte er sie nicht Freunden und Bekannten von diesen fantastischen Hausfrauentipps erzählen hören.
»Guten Morgen«, sagte sie, ohne ihn anzusehen.
»Guten Morgen«, antwortete er und ignorierte den sarkastischen Tonfall. »Hast du etwas von Hedda gehört?«
Gabriella stellte das Bügeleisen ab, um das Papierstück auf den nächsten Fleck zu legen.
»Nein«, antwortete sie, immer noch, ohne ihn anzusehen. »Ich habe wieder und wieder angerufen, aber sie hat das Handy nicht an.«
»Bestimmt schläft sie«, sagte er bemüht unbekümmert.
»Wie ihr Vater also.«
Ernst seufzte lautlos, ging in die Küche und ließ sich ein großes Glas kaltes Wasser ein.
»Bei wem wollte sie noch gleich übernachten?«, rief er und stellte das Glas auf die Spüle.
»Stell das Glas in die Spülmaschine. Irgendeine Nora. Ich glaub, sie hieß Nora Vallgren. Oder Vallström.«
»Nie gehört.«
»Ich auch nicht.«
Nein, kein Problem, sagte er zu sich selbst. Alles ist ganz so, wie es sein sollte.
Magdalena bog auf den Norr Mälarstrand ein und dann auf die St. Eriksgatan. War es die siebte oder die achte Runde? Sie hatte das Zählen schon aufgegeben. Die erleuchtete Västerbron spiegelte sich im schwarzen Wasser des Riddarfjärden. Hier und da trieben große, graue Eisschollen wie Mosaikplatten, und darüber fuhren einzelne Autos durch den Winternebel.
Das ist schön, dachte Magdalena wehmütig. Sehr schön. Das lässt sich nicht leugnen.
»Gibt es hier denn keinen einzigen Parkplatz?«, murmelte sie vor sich hin.
Endlich entdeckte sie auf der Baltzar von Platens gata eine Lücke zwischen einem anderen Audi und einem Volvo Cross Country. Da würde sie ein Stückchen laufen müssen, aber das half nichts. Sie war schon spät dran.
Als Magdalena das Auto eingeparkt hatte, war sie außer Atem, und ihr war heiß. Sie trat auf die Straße, zog die Daunenjacke über, hängte sich die Tasche über die Schulter und schloss den Wagen ab. Sie war die ganze Strecke ohne Halt durchgefahren, hatte einfach keine Ruhe gehabt.
Schmutziges Eis säumte in langen Streifen den von Schneematsch bedeckten Bürgersteig. Magdalena blickte zu den hohen Fenstern auf der anderen Straßenseite hoch. Stil volle Adventsbögen und gemusterte Sterne in langer Reihe. Wie wohl die Wohnungen drinnen aussahen? Lamino-Sessel und dicke Teetassen aus dem Designladen. Schöne, selbstsichere Frauen mit Schals über den Schultern und Nachnamen, die einen erschauern ließen.
Ihr war klar, dass sie diese Bilder aus irgendeinem Einrichtungsmagazin hatte, doch sie hatte solche Wohnungen schon oft auch in der Wirklichkeit gesehen. Eine andere Klasse, dachte sie, und begriff gleichzeitig, wie altmodisch sie selbst war. Wer sprach denn heute noch von Klassenunterschieden? Während ihrer Jahre in Stockholm hatte sie das manchmal erwähnt, hatte versucht, das Gefühl zu beschreiben, war aber immer verständnislosen Blicken begegnet. Wie bitte? Solche Kategorien spielten heute keine Rolle mehr. Und mit seiner Herkunft aus der Arbeiterklasse zu kokettieren sei einfach nur albern, sagte man ihr. Als wäre ein Bahnarbeiter etwas Exotisches oder Romantisches, etwas, das es nicht wirklich gebe.
Magdalena rannte das letzte Stück bis zur Tür. Der Fahrstuhl war bereits
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