Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten
zugemauerten alten Dachluke erkennen. Von dorther drangen Männerstimmen, das Scharren von Leitern und dumpfe Schläge auf Ziegelsteine, die auf ihre Festigkeit hin geprüft wurden. Offensichtlich versuchten die Männer, die Dachluke zu öffnen, um die Mädchen zu befreien, die inzwischen auf die viereckige Markierung an der Decke starrten.
«Kriegen sie es nicht auf?» fragte Tilly.
Niemand antwortete, denn die Mädchen des Clubs wußten die Antwort hierauf. Im Club kannte jeder die Legende von dem Mann, der durch die Dachluke eingestiegen und, wie einige behaupteten, mit einem Mädchen im Bett entdeckt worden war.
Selina stand jetzt auf dem Toilettensitz und zog sich zum Fensterspalt hinauf. Mit einer leichten Drehung schlüpfte sie hindurch und aufs Dach hinaus. Inzwischen waren dreizehn Frauen im Waschraum versammelt. Sie standen da, wachsam und fluchtbereit wie Tiere in einem gefährlichen Dschungel und lauschten auf weitere Instruktionen durch den Lautsprecher draußen auf dem Dach.
Anne Baberton folgte Selina mit einiger Mühe durch den Fensterspalt, weil sie so aufgeregt war. Zwei Männerhände streckten sich ihr am Fenster entgegen und nahmen sie in Empfang. Tilly Throvis-Mew fing an zu schluchzen, Pauline Fox streifte erst ihr Kleid ab und dann ihre Wäsche, bis sie völlig nackt dastand. Sie hatte einen unterernährten Körper und wäre ohne Schwierigkeiten vollbekleidet durchs Fenster gekommen, aber sie schlüpfte pudelnackt hindurch.
Tilly schluchzte heftig, die übrigen Mädchen zitterten nur. Die Geräusche auf dem schrägen Dach brachen ab, die Feuerwehrleute waren hinuntergesprungen, um die Dachluke vom flachen Dach aus zu untersuchen. Man hörte Schritte und das Schlurfen von Füßen jenseits des Fensterspaltes, wo Selina und Nicholas den ganzen Sommer in Decken gehüllt gelegen hatten, über sich den Orion und den Großen Bären – ungefähr der einzige Anblick in Groß-London, der völlig unversehrt geblieben war.
Die elf Frauen, die noch im Waschraum eingeschlossen waren, hörten die Stimme eines Feuerwehrmannes, die durch das Gedröhn gleichzeitiger Lautsprecheranweisungen für die übrigen Feuerwehrleute zu ihnen drang.
«Bleibt, wo ihr seid», sagte der Mann vor dem Fenster. «Keine Panik. Wir holen Werkzeug, um die Dachluke aufzubrechen. Es dauert nicht lange. Es ist eine Frage der Zeit. Wir tun alles, um euch herauszubekommen. Bleibt, wo ihr seid. Keine Panik. Es ist nur noch eine Frage der Zeit.»
Die Frage der Zeit drängte sich nun mit einemmal bedeutungsvoll in das Leben der elf Lauschenden.
Achtundzwanzig Minuten waren vergangen, seit die Bombe im Garten explodiert war. Felix Dobell hatte sich, nachdem das Feuer ausgebrochen war, wieder bei Nicholas Farringdon auf dem Flachdach eingefunden. Sie halfen den drei schlanken Mädchen durchs Fenster. Anne und die nackte Pauline Fox wurden in zwei Decken gewickelt, die für alle Fälle bereitlagen, und rasch durch die Dachluke des benachbarten Hotels befördert, dessen rückwärtige Fenster durch die Explosion alle zerbrochen waren. Nicholas war, wenn auch nur flüchtig – wie es der Notlage entsprach –, davon beeindruckt, daß Selina den beiden Mädchen die Decken überlassen hatte. Immer noch ein wenig zitternd, aber mit der rührenden Anmut eines wunden Rehs, stand sie in ihrem weißen Unterrock und barfuß auf dem Dach herum. Er dachte, sie täte es seinetwegen, da Felix die beiden anderen Mädchen zu den Ambulanzen hinunterbegleitet hatte. Selina stand nachdenklich auf der Hotelseite des Daches, während er zum Fensterspalt zurückkehrte, um selbst festzustellen, ob nicht eins der übrigen Mädchen schlank genug war, um auf diesem Wege zu entkommen. Das Gebäude könne in den nächsten zwanzig Minuten zusammenstürzen, hatten die Feuerwehrleute gesagt.
Als er sich dem Fensterspalt näherte, schlüpfte Selina an ihm vorbei und zog sich am Fensterbrett wieder hinauf.
«Was tust du da, komm herunter!» rief Nicholas. Er versuchte, sie an den Fußgelenken festzuhalten, aber sie war rascher, krümmte sich sekundenschnell auf dem niedrigen Fensterbrett zusammen, zog den Kopf ein und schwang sich seitlich in die Toilette.
Nicholas nahm sofort an, daß sie das getan habe, um eins der anderen Mädchen zu retten oder ihnen bei der Flucht durchs Fenster beizustehen.
«Komm heraus, Selina», rief er laut und stützte sich hoch, um durch den Fensterspalt hineinzusehen. «Es ist gefährlich. Du kannst niemandem helfen.» Selina
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