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Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten

Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten

Titel: Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Muriel Spark
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schreien, wenn sie ihn sehen. Selina hat er heute jedenfalls erschreckt.»
    «Mich hat sie das letzte Mal erschreckt.»
    «Hast du sie denn gefunden?» fragte Jane.
    «Ja, aber sie leidet unter einem Schock. Ich muß ihr all das Greuliche wieder in Erinnerung gebracht haben.»
    «Es war die Hölle», sagte Jane.
    «Ich weiß.»
    «Warum liebt er Selina übrigens?» meinte Rudi. «Warum findet er keine Frau mit Charakter oder eine Französin?»
     
     
     
    «Es ist ein Ferngespräch», sagte Jane rasch.
    «Ich weiß, wer spricht denn?» fragte Nancy, die Tochter des Geistlichen aus den Midlands, die nun wiederum mit einem Geistlichen aus den Midlands verheiratet war.
    «Hier ist Jane. Hör zu, ich muß dich rasch noch etwas anderes über Nicholas Farringdon fragen. Glaubst du, daß seine Konversion irgend etwas mit dem Brand zu tun hatte? Ich muß den großen Artikel über ihn fertig schreiben.»
    «Weißt du, ich möchte annehmen, daß es Joannas Beispiel war. Joanna war sehr High Church.»
    «Aber er war ja nicht in Joanna verliebt, sondern in Selina. Nach dem Brand hat er überall nach ihr gesucht.»
    «Nun ja, aber er hätte ja von Selina nicht bekehrt werden können, bekehrt jedenfalls nicht!»
    «In seinem Manuskript findet sich eine Notiz, daß eine Vision des Bösen genauso zur Konversion führen kann wie eine Vision des Guten.»
    «Ich kann diese Fanatiker nicht verstehen. Da stimmt was nicht, Jane. Ich glaube, er war in uns alle verliebt, der arme Kerl.»
     
     
    Die Begeisterung der Menge in der Augustnacht des Sieges der Alliierten war ebenso überschwenglich wie in der Siegesnacht im Mai. Die kleinen Figuren erschienen pflichtschuldig alle halbe Stunde auf dem Balkon, winkten eine Weile und verschwanden wieder.
    Jane, Nicholas und Rudi befanden sich plötzlich in einer schwierigen Lage. Von allen Seiten drängelten die Leute.
    «Gebrauch deine Ellbogen, wenn möglich», sagten Nicholas und Jane fast gleichzeitig, aber es war ein nutzloser Rat. Ein Matrose drängte sich an Jane heran und küßte sie leidenschaftlich auf den Mund. Sie konnte nichts, aber auch gar nichts dagegen tun. Auf Gnade und Ungnade war sie seinem bierfeuchten Mund ausgeliefert, bis die Menge endlich nachgab und sich die drei einen Weg zu einer etwas vernünftigeren Stelle bahnen und von hier aus den Park erreichen konnten.
    Dort stach ein anderer Matrose – nur von Nicholas beobachtet – der Frau, die mit ihm war, ein Messer zwischen die Rippen. Die Lichter auf dem Balkon flammten auf, und eine kleine Stille ging dem Erscheinen der königlichen Familie voraus. Die erstochene Frau schrie nicht, sondern sank sofort zusammen. Viele Meter weiter schrie jemand anderes durch die Stille – eine Frau, ein weiteres Opfer. Vielleicht aber hatte auch nur jemand der Schreienden auf die Füße getreten. Die Menge fing wieder an zu tosen. Aller Augen waren in diesem Augenblick auf den Balkon des Palastes gerichtet, wo die königliche Familie in der gebührenden Reihenfolge erschienen war. Rudi und Jane brüllten eifrig Hochrufe. Nicholas versuchte erfolglos, in der Menge seinen Arm zu heben, um die Aufmerksamkeit auf die verletzte Frau zu lenken. Er rief, daß eine Frau erstochen worden sei, der Matrose beschimpfte seine zusammengesunkene Frau, die nur noch vom Gedränge gehalten wurde. Jedoch diese privaten Demonstrationen gingen unter in dem allgemeinen Pandämonium. Eine Woge, die von der Mall herandrängte, trug Nicholas weiter. Als das Licht auf dem Balkon erlosch, gelang es ihm, gefolgt von Rudi und Jane, sich erneut eine kleine Bresche durch die Menge zum offenen Park hin zu schlagen. Auf dem Weg mußte er einmal, ohne zu wollen, stillstehen und fand sich ganz in der Nähe des Messerstechers. Die verwundete Frau war nirgends zu sehen. Während er wartete, daß er weitergehen konnte, zog Nicholas den Brief von Charles Morgan aus der Tasche und schob ihn dem Matrosen in die Bluse. Dann wurde Nicholas weitergetragen. Er hatte das aus keinem ersichtlichen Grund getan, und auch um keiner besonderen Wirkung willen, es war nichts als eine Geste. So lagen die Dinge damals.
    Sie gingen durch die klare Luft des Parks zurück und um die Paare herum, die ihnen fest umschlungen im Wege lagen. Gesang erfüllte den Park. Nicholas und seine Begleiter sangen auch. Sie gerieten in eine Schlägerei zwischen britischen und amerikanischen Soldaten. Zwei Männer lagen bewußtlos am Wege und wurden von ihren Freunden betreut. Hinter ihnen, in einiger

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