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Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten

Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten

Titel: Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Muriel Spark
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Zeit der Explosion in den Aufenthaltsräumen im Erdgeschoß oder noch in den Schlafsälen aufgehalten hatten. Dort hatte man die Explosion mehr gehört als gespürt. Zwei Sanitätswagen waren bereits eingetroffen und der dritte näherte sich gerade. Wer einen heftigeren Schock erlitten hatte, sollte in der Halle des benachbarten Hotels behandelt werden.
    Greggie war bemüht, Mrs. Felix Dobell zu versichern, daß sie dieses Ereignis vorausgesehen und auch davor gewarnt hätte. Mrs. Dobell, eine gutaussehende Matrone von beachtlicher Größe, stand auf der Kante des Bürgersteigs und nahm kaum Notiz von Greggie. Mit dem Auge eines Inspizienten betrachtete sie das Gebäude und war von jener Ruhe durchdrungen, die sich nur bei völliger Verkennung der wahren Sachlage einstellt. Denn obgleich die Explosion sie erschüttert hatte, schloß Mrs. Dobell doch, daß überall in England täglich Blindgänger hochgingen. Sie stellte zufrieden fest, daß sie unversehrt war, empfand ein leises Vergnügen darüber, an einem Kriegsereignis teilgenommen zu haben und war nun neugierig, welche Maßnahmen im Notfall ergriffen würden. «Wann, glauben Sie, wird sich der Staub legen?» fragte sie.
    Greggie wiederholte noch einmal: «Ich wußte es, daß eine scharfe Bombe im Garten lag. Ich wußte es. Ich habe es immer gesagt, die Bombe ist noch da. Das Räumkommando hat sie nicht gefunden, es hat sie nicht gefunden.»
    Am Fenster eines der oberen Schlafräume zeigten sich ein paar Gesichter, es öffnete sich. Ein Mädchen versuchte zu rufen, mußte aber den Kopf zurückziehen, sie erstickte fast an dem Staub, der das Haus noch immer in dicken Wolken umlagerte.
    Als Rauch aufzusteigen begann, war es schwierig, ihn vom Staub zu unterscheiden. Eine Hauptgasleitung war durch die Explosion zerrissen worden. Feuer kroch von den Öfen aus durch die Keller. Erst kroch es und plötzlich loderte es hell auf. Eine Flamme von Zimmergröße knatterte durch die Büros im Erdgeschoß, sie leckte an den großen Fensterscheiben, sie tastete nach den Holzrahmen, während Greggie mit schriller Stimme weiter auf Mrs. Dobell einredete und den Lärm der Mädchen, der Menschenmenge in der Straße, der Ambulanzen und Löschzüge zu übertönen suchte. «Um ein Haar wären wir im Garten gewesen, als die Bombe losging. Ich wollte Ihnen den Garten noch vor dem Abendbrot zeigen. Wir wären verschüttet, tot, getötet. Um ein Haar, Mrs. Dobell.»
    «Das ist ein schrecklicher Vorfall», sagte Mrs. Dobell, so als ginge ihr erst eben ein Licht auf. Und da sie doch einen größeren Schock davongetragen hatte, als es zuerst schien, fügte sie hinzu: «Wir leben in einer Zeit, die die Übung von Diskretion fordert – ein Privileg der Frauen.» Dieser Ausspruch war ein Zitat aus ihrem Vortrag, den sie nach dem Abendessen hatte halten wollen. Sie sah sich in der Menschenmenge nach ihrem Mann um. Die Clubleiterin, bei der sich viel heftigere Schockwirkungen schon eine Woche früher eingestellt hatten als bei Mrs. Dobell, wurde auf einer Tragbahre durch die Menge getragen.
    «Felix», brüllte Mrs. Dobell. Er kam gerade aus dem Hotel neben dem Club. Seine olivgrüne Khaki-Uniform war schwarz von Ruß und wie mit Schmieröl gestreift. Er hatte die Rückseite des Clubgebäudes inspiziert.
    «Die Ziegelmauern sehen nicht so aus, als ob sie hielten», sagte er. «Die obere Hälfte der Feuerleiter ist zusammengebrochen. Ein paar Mädchen sind da oben eingeschlossen. Die Feuerwehrleute bringen sie in den obersten Stock, man wird sie durch die Dachluke herausholen müssen.»
     
    «Wer ist da?» fragte Lady Julia.
    «Jane Wright. Ich habe Sie letzte Woche angerufen, um zu fragen, ob Sie vielleicht noch etwas mehr erfahren könnten über …»
    «Ach ja, ich fürchte allerdings, aus dem Foreign Office wird man sehr wenig Informationen bekommen. Sie geben niemals öffentliche Kommentare. Soviel ich mir zusammenreimen kann, hat der Mann sich höchst mißliebig gemacht, indem er Predigten gegen den Aberglauben der Eingeborenen gehalten hat. Man hat ihn mehrfach gewarnt und offensichtlich hat er nun das, was er wollte. Wie haben Sie ihn kennengelernt?»
    «Er war als Zivilist mit einigen Mädchen im May of Teck Club befreundet, ich meine, ehe er dem Orden beitrat. Er war auch am Abend der Katastrophe da und …»
    «Vermutlich hat er dabei den Verstand verloren. Jedenfalls muß irgend etwas seinem Verstand geschadet haben, nach allem, was ich so inoffiziell höre, war er ein kompletter

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