Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten
Kinder von experimenteller und köstlicher Vielfalt – was Hautfarbe und Rasse angeht – erblickten ordnungsgemäß nach neun Monaten das Licht der Welt. Die Glocken läuteten. Das Ereignis hielte sich auf der Mitte zwischen einer Hochzeit und einem Begräbnis von Weltniveau, bemerkte Greggie.
Am nächsten Tag begann jeder über seinen Platz in der neuen Ordnung nachzudenken. Viele Mitbürger verspürten den Drang – und einige gaben ihm mit Lust nach –, sich gegenseitig zu beleidigen, um irgend etwas zu beweisen, oder zu prüfen, wie weit sie Grund unter den Füßen hatten. Die Regierung erinnerte die Öffentlichkeit daran, daß immer noch Krieg war. Und das ließ sich offiziell auch nicht bestreiten. Aber abgesehen von denen, deren Angehörige im Fernen Osten in Kriegsgefangenschaft geraten waren oder noch in Burma festgehalten wurden, empfanden alle diesen Krieg als etwas lange Zurückliegendes.
Einige Stenotypistinnen im May of Teck Club fingen an, sich nach einer sicheren Stellung umzusehen, das heißt in Privatunternehmen, die nichts mit dem Krieg zu tun hatten wie die zeitgeborenen Ministerien, in denen viele von ihnen bisher beschäftigt gewesen waren.
Ihre Brüder und Freunde, die noch längst nicht aus dem Wehrdienst entlassen waren, redeten davon, welchen Nutzen sie jetzt mit glänzenden Unternehmungen aus dem Frieden ziehen wollten, etwa indem sie einen Lastwagen kaufen und damit ein Transportgeschäft gründen würden.
«Ich muß dir was erzählen», sagte Jane.
«Einen Augenblick. Ich will nur die Tür zumachen. Die Gören toben so», sagte Anne. «So, sprich weiter», sagte sie, als sie ans Telefon zurückkehrte.
«Erinnerst du dich an Nicholas Farringdon?»
«Ich glaube, mich an den Namen zu erinnern.»
«Erinnerst du dich nicht – ich hab ihn doch 1945 zum May of Teck Club mitgebracht. Er kam öfter zum Abendessen. Er hatte dann was mit Selina.»
«O ja – Nicholas. Der, der immer aufs Dach stieg? Wie lange ist das her! Hast du ihn wiedergesehen?»
«Ich habe gerade eine Zeitungsnotiz gelesen, die über Reuter kam. Er ist bei einem Aufstand in Haiti ums Leben gekommen.»
«Wirklich? Wie gräßlich. Was hat er denn da gemacht?»
«Er ist Missionar geworden oder so etwas.»
«Nein!»
«Doch. Es ist schrecklich tragisch. Ich hab ihn gut gekannt.»
«Grausig. Das bringt alles wieder in Erinnerung. Hast du es Selina erzählt?»
«Es ist mir nicht gelungen, sie zu erreichen. Du weißt ja, wie Selina ist in diesen Tagen, sie geht nie selbst ans Telefon, man muß sich mit tausend Sekretärinnen, oder wem immer, herumschlagen.»
«Du könntest daraus eine gute Story für dein Blatt machen, Jane», sagte Anne.
«Ich weiß. Ich warte nur darauf, noch mehr Einzelheiten zu erfahren. Wenn auch viele Jahre vergangen sind, seit wir uns kannten, gäbe es doch eine interessante Story.»
Zwei Männer – Dichter auf Grund der Tatsache, daß das Verfassen von Gedichten die einzige Tätigkeit von Dauer war, die sie je ausgeübt hatten – zwei Männer also, die von zwei May of Teck- Mädchen und sonst zur Zeit von niemand anderem geliebt wurden, saßen in Kordhosen mit ihren andächtig lauschenden Anbeterinnen in einem Cafe in Bayswater und redeten über die neue Zukunft, während sie eilig die Korrekturbogen eines Romans umblätterten, den ein abwesender Freund geschrieben hatte. Einer der beiden Männer sagte zum anderen:
Und jetzt – was ohne die Barbaren aus uns wird?
Diese Menschen waren eine Art von Lösung.
Und der andere lächelte gespielt-gelangweilt, aber sich dessen bewußt, daß es in der ganzen großen Metropole und den ihr tributpflichtigen Provinzen vorerst nur wenige Eingeweihte gab, die die Quelle dieser Zeilen kannten. Dieser andere, der lächelte, war Nicholas Farringdon, der noch keineswegs bekannt war und, soweit damals abzusehen war, es vermutlich auch nie werden würde.
«Wer hat das geschrieben?» fragte Jane Wright, ein dickliches Mädchen, die in einem Verlag arbeitete und im May of Teck Club zwar als intelligent, aber nicht als ganz standesgemäß galt.
Keiner der beiden antwortete.
«Wer hat das geschrieben?» wiederholte Jane.
Der Dichter, der neben ihr saß, sagte durch seine dicken Brillengläser hindurch: «Ein Dichter aus Alexandria.»
«Ein neuer Dichter?»
«Nein, aber hierzulande ziemlich neu.»
«Wie heißt er?»
Er antwortete nicht. Die beiden jungen Männer hatten ihr Gespräch wiederaufgenommen. Sie redeten in der Sprache
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