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Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten

Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten

Titel: Maedchen mit begrenzten Moeglichkeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Muriel Spark
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der Eingeweihten über Niedergang und Verfall der anarchistischen Bewegung auf der Insel ihrer Geburt. An diesem Abend langweilte es sie, die Mädchen zu bilden.

 
     
     
     
     
     
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    Joanna Childe gab der Köchin, Miss Harper, Rezitationsunterricht im Aufenthaltsraum. Wenn sie keinen Unterricht gab, arbeitete sie gewöhnlich für ihr nächstes Examen. Das Haus hallte oft von Joannas deklamatorischen Bemühungen wider. Sie bekam von ihren Schülern sechs Shilling für die Stunde, fünf, wenn diese May of Teck -Mitglieder waren. Niemand kannte die Vereinbarung, die sie mit Miss Harper getroffen hatte, denn zu jener Zeit trafen alle, die über Schlüssel zu einer Speisekammer verfügten, mit allen übrigen besondere Abmachungen. Joanna hatte folgende Unterrichts-Methode: sie las zuerst jede Verszeile selbst und ließ sie dann von ihren Schülern wiederholen.
    Jeder im Wohnzimmer konnte hören, wie die lautstarke Unterrichtsstunde vor sich ging, wie ‹Der Schiffbruch der Deutschland› schwungvoll skandiert wurde:
     
    Seines Angesichts Schreck
    Vor mir, das Heulen der Hölle
    Im Rücken, wo, wo war ein, wo war Versteck?
    Der Club war stolz auf Joanna Childe – nicht nur weil sie den Kopf in den Nacken warf und Gedichte rezitierte, sondern auch weil sie so wohlgestaltet war, so blond und gesund aussah wie die poetische Inkarnation aller großen blonden Pfarrerstöchter, die niemals auch nur das kleinste bißchen Make-up benutzte, die, seit sie die Schule früh im Krieg verlassen hatte, Tag und Nacht unermüdlich in den Wohltätigkeitsvereinen ihrer Gemeinde tätig gewesen war, die davor Klassensprecherin gewesen war, und die noch nie jemand hatte weinen sehen und von der man sich das auch nicht vorstellen konnte, da sie stoischer Natur war.
    Als sie die Schule verließ, war Joanna das Geschick widerfahren, sich in einen Hilfsgeistlichen zu verlieben. Es führte zu nichts. Und Joanna hatte beschlossen, daß dies die einzige Liebe ihres Lebens bleiben sollte.
    Sie war mit Versen groß geworden, die sie später rezitierte:
     
     … denn das ist Liebe nicht,
    Die sich verwandelt, wenn sie Wandel findet,
    Dem Unbeständgen nachgibt im Verzicht!
     
    Alle ihre Vorstellungen von Ehre und Liebe bezog sie von den Dichtern. Die gröberen und feineren Unterschiede zwischen irdischer und himmlischer Liebe und ihre jeweiligen Merkmale waren ihr zwar ungefähr vertraut, aber dieses Wissen hatten ihr Unterhaltungen im Pfarrhause vermittelt, wenn theologisierende Geistliche zu Besuch kamen. Freilich unterschied sich diese Unterrichtung von den allgemeinen Glaubenssätzen, wie zum Beispiel ‹Leute, die auf dem Lande leben, sind reineren Herzens›, oder auch von der Idee, daß ein anständiges Mädchen sich nur einmal in seinem Leben verlieben soll.
    Anscheinend wäre für Joanna ihr Verlangen nach dem Hilfsgeistlichen des Wortes Liebe nicht würdig gewesen, hätte sie zugelassen, daß ein ähnliches Verlangen, das sie nach der Gesellschaft seines Nachfolgers zu empfinden begann – der eigentlich noch besser zu ihr paßte und sogar noch ansehnlicher war –, zu irgend etwas geführt hätte. Wenn man erst einmal zugibt, daß man den Gegenstand einer tief empfundenen Zuneigung auswechseln kann, untergräbt man das ganze Gebäude von Liebe und Ehe, die Philosophie von Shakespeares Sonett: Das war die anerkannte, wenn auch unausgesprochene Ansicht im Pfarrhaus gewesen – jedenfalls in seinen höheren geistigen Sphären. Joanna unterdrückte ihre Gefühle für den zweiten Hilfsgeistlichen und reagierte sie mit Tennisspiel und Kriegsdienst ab. Sie hatte den zweiten Hilfsgeistlichen keineswegs ermutigt, sondern still für sich über ihn gegrübelt bis zu jenem Sonntag, da sie ihn auf der Kanzel stehen sah und den Text seiner Predigt ankündigen hörte:
    « … ärgert Dich aber Dein rechtes Auge, so reiß es aus und wirf es von Dir, denn es ist besser, daß eins Deiner Glieder verderbe, denn daß Dein ganzer Leib in die Hölle geworfen werde.
    Und ärgert Dich Deine rechte Hand, so hau sie ab und wirf sie von Dir, denn es ist besser, daß eins Deiner Glieder verderbe, denn daß Dein ganzer Leib in die Hölle geworfen werde.»
    Es war im Abendgottesdienst. Viele junge Mädchen aus der Umgebung waren gekommen, einige von ihnen in Uniform. Besonders ein weibliches Mitglied der Königlichen Marine sah zu dem Hilfsgeistlichen auf, das Licht, das durch die bunten Glasfenster fiel, berührte ihre rosigen Wangen, ihr Haar lockte

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