Maedchenauge
entspanntem Gesicht. »Können Sie Motorrad fahren?«
Lavinia war sichtlich verwirrt. »Nein … wieso …?«
Ebenso rasch stieß Belonoz nach. »Und Tom oder Nicole?«
»Nein, nicht dass ich … ich meine, das wüsste ich sicher, aber …«
»Vergessen Sie es, nur Routine. Was machen Sie eigentlich, Frau Saborsky?«
Ein leichtes Lächeln kam in Lavinias Gesicht. »Ich nehme privat Schauspielunterricht, aber nicht ganz so intensiv, wie ich mir das wünschen würde. In letzter Zeit habe ich mich hauptsächlich um meinen Bruder gekümmert. Und jetzt, nach dem, was geschehen ist, muss ich offenbar wieder …«
Lily klinkte sich wieder ein. »Haben Sie Selma persönlich gekannt?«
»Überhaupt nicht. Ich weiß nur, was Nicole oder Tom erzählt haben.«
»Wie war denn das Verhältnis zwischen Nicole und Selma?«
»Na ja … ich weiß nicht, ob ich das jetzt sagen soll …«
»Es ist alles vertraulich. Sie haben mein Wort.«
»Nicole war total eifersüchtig auf Selma. Es war ihr nicht recht, dass Tom immer mehr Zeit mit Selma verbracht hat. Aber mehr weiß ich dazu nicht. Sie müssen Tom fragen.«
»Kann ich mir vielleicht kurz das Zimmer von Tom anschauen?«
»Klar, kommen Sie. Ich begleite Sie in den zweiten Stock.«
Lily erhob sich und sah zum Major, der noch auf dem Sofa saß und sein Handy umständlich aus der Sakkotasche fischte. »Sorry, nur ein kurzes Gespräch. Ausgerechnet jetzt geben diese Komiker keine Ruhe. Ich komme gleich nach.«
Belonoz stand auf, wandte sich ab und sprach erregt in den Apparat. Lily schien es, als würde der Major etwas Dringendes zu bereden haben. Ungern ließ sie ihn allein zurück.
Lavinia öffnete die Tür zu Toms Refugium. Keine antike Möblierung, stattdessen ein völlig weiß gestrichener Raum. Es gab ein Bett, außerdem ein kleines Pult, auf dem ein Laptop stand, einen IKEA-Schrank sowie eine Kleiderstange, an der Hosen, Hemden und Jacken hingen. Die Wände waren mit Postern diverser Bands übersät. Das Zimmer wirkte jugendlich und provisorisch. Eine Collage von Fotos zeigte einen jungen Mann in unterschiedlichen Posen. Die Bilder waren professionell und mussten während Toms Modelkarriere entstanden sein.
»Ich habe hier wieder Ordnung gemacht, nachdem die Polizei gestern alles ein wenig durcheinandergebracht hat.«
»Tut mir echt leid«, sagte Lily unangenehm berührt. »Ich hoffe, Sie haben Verständnis für …«
Doch Lavinia reagierte mit lässiger Großzügigkeit. »Machen Sie sich bitte keine Gedanken, Frau Doktor. Jetzt ist es ja wieder gut.«
»Die Fotos sind phantastisch. Ich habe nicht gewusst, dass Ihr Bruder so erfolgreich war. Und jetzt kann ich noch besser verstehen, warum man ihn gebucht hat.«
Verschwörerisch, quasi unter Frauen, lächelte sie Lavinia an.
Lavinia erwiderte das Lächeln, sie begann beinahe zu strahlen. »Nicht wahr? Tom sieht großartig aus. Kein Wunder, dass er so ein Frauenschwarm ist.«
»Und auch den Designern wird er gefallen haben«, sagte Lily bewundernd.
Lavinia schaute die Staatsanwältin verärgert an. »Mit Männern hat Tom nie etwas gehabt. Das ist ein Klischee, dass alle hübschen Jungs schwul sind. Tom hat sich nur für Frauen interessiert. Das weiß ich ganz genau.«
»Ich habe etwas anderes gemeint. Nämlich, dass die Modedesigner ihn sicher gern verpflichtet haben. Er ist ja äußerst fotogen.«
»Auch das ist ein häufiger Irrtum, Frau Staatsanwältin. Designer wählen selten die Models persönlich aus. Viele andere Personen sind involviert, die meisten von ihnen sind übrigens Frauen. Die treffen in der Regel die Entscheidungen.«
Man hörte Belonoz aus der Entfernung »Ich rufe dich gleich zurück, aber jetzt gib mir Zeit, okay?« sagen, dann platzte er in das Gespräch der beiden Frauen. Entnervt deutete er auf das Handy und verstaute es wieder im Sakko. An Toms Zimmer zeigte der Major wenig Interesse. Ihn musste etwas anderes beschäftigen. Lily konnte es kaum erwarten, ihn danach zu fragen. So gut, wie sie ihn inzwischen kannte, sah sie ihm die Anspannung an. Obwohl sich der Major Mühe gab, diese zu verbergen.
Zehn Minuten später hatten Lily und Belonoz das Gebäude wieder verlassen. Lavinia hatte zugesagt, jederzeit für weitere Auskünfte zur Verfügung zu stehen. Der Abschied war freundlich, so wie das gesamte Treffen mit der Schwester des Inhaftierten.
Sie waren beim Auto angekommen, und Lily streckte sich. »Schön, wieder an der Sonne zu sein. Auch wenn sie herunterbrennt. Besser als in
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