Maedchenauge
Todesursache unumgänglich.«
Lily spielte nervös mit dem Stift in ihrer Hand. »Ein schwieriges Lebensumfeld für die jungen Menschen, mit denen wir es zu tun haben … Allerdings ist das keine Entschuldigung, sondern lediglich eine Erklärung. Wir haben es mit zwei nicht unkomplizierten Personen zu tun, die in einem Zusammenhang mit der Ermordung von Selma Jordis stehen. Bemerkenswert finde ich das Haus, in dem Tom und seine Schwester Lavinia wohnen. Das ist eine Art von Gedenkstätte für den Vater, vollgestopft mit Memorabilien …«
Da wurde sie von Nika Bardel unterbrochen. »Sorry, mir ist gerade aufgefallen, dass ich ein Detail vergessen habe. Tom war polizeilich am Linnéplatz gemeldet. Aber seit Anfang April auch in der Wohnung von Selma Jordis. Übrigens fehlt einer der drei Wohnungsschlüssel von Selma Jordis. Durchaus möglich, dass Tom einen besitzt. Wir müssen ihn nur noch finden.«
Lily dachte nach. Die anderen sagten nichts und warteten, was kommen würde, wobei sie jeglichen Blickkontakt untereinander vermieden.
Lily legte den Stift aus der Hand. »Tom hat den Linnéplatz verlassen und mit Selma Jordis zusammenleben wollen. Dabei ist ihm jemand dazwischengekommen.«
»Oder jemand hat bewusst diesen Anschein erwecken wollen«, sagte Metka.
»Richtig. Deshalb brauchen wir noch mehr Informationen über Tom, Nicole und Selma Jordis. Außerdem über Lavinia Saborsky. Ansonsten wird uns Georg Sima, den Tom ganz zufällig zu seinem Verteidiger erkoren hat, mit seinen hervorragenden Kontakten zu den Medien die Hölle heißmachen.«
Lily ordnete an, gegen zwanzig Uhr noch einmal zusammenzukommen. Auf dem Korridor vor dem Besprechungszimmer holte sie das Handy aus der Tasche und rief Albine an.
»Sag, kennst du einen gewissen Tom Saborsky?«
Albine klang gehetzt und hantierte hörbar mit irgendetwas herum. »Ich bereite mich gerade auf eine Sendung vor. Aber lass mich kurz überlegen … Tom Saborsky … Ja natürlich, das ist doch eine Wiener Szenengröße, nur eben der dritten Kategorie. Ein Angeber, wenn du mich fragst. Aber bei naiven Mädchen durchaus erfolgreich. Er sieht gut aus. Leider steckt hinter der schönen Fassade nichts, das interessant sein könnte.«
»Danke, Albine, bis bald«, sagte Lily und legte auf. Sie fuhr mit dem Aufzug hinunter und trat hinaus auf die Berggasse.
Was an Informationen über Tom und Nicole Saborsky hereinkam, würde in den Kontext der übrigen Informationen gestellt werden müssen. Mit etwas Glück würde sich die Spreu vom Weizen trennen. Bei den Indizien würde endlich eine Hierarchie entstehen. Wichtiges würde von weniger Wichtigem oder gar Irrelevantem getrennt werden können.
Aus Lilys Handtasche drang ein Summen. Sie holte das Handy heraus. Und atmete erst einmal durch. Denn sie kannte die Nummer. Doch jetzt war es wirklich an der Zeit, das Gespräch hinter sich zu bringen. Und sie nahm sich vor, sich nicht auf Dubioses einzulassen. Oder sich erpressen zu lassen.
»Ja bitte?«, fragte Lily.
»Mein Name ist Marina Lohner. Sind Sie Staatsanwältin Horn?«
»Ja, aber woher haben Sie diese Nummer?«
»Ich muss unbedingt mit Ihnen sprechen. Also habe ich recherchiert und …«
Lily wählte einen entschlossenen Tonfall, der keine Zweifel lassen sollte. »Für Versuche, die Ermittlungen zu beeinflussen, bin ich nicht empfänglich. Das müssen Sie wissen.«
»Frau Doktor Horn, ich bin im Besitz von Informationen, die Sie vermutlich gut gebrauchen können. Treffen Sie mich in meinem Dienstwagen. Wir sind dort absolut ungestört. Um achtzehn Uhr werde ich in der Nähe der Staatsanwaltschaft sein. Ein schwarzer Mercedes, Ecke Frankhplatz und Garelligasse.«
Lohner hängte einfach auf, ohne eine Antwort abzuwarten.
Lily wunderte sich nicht. Da glaubte jemand, alles würde sich nach ihr richten. Doch Lily war unwohl. Ob sie wollte oder nicht, nun kam endgültig die Politik ins Spiel.
*
Leutnant Descho stand in der kleinen Teeküche neben seinem Büro. Direkt vor ihm rumorte die Espressomaschine. Langsam füllte sich die Tasse.
Ein bekanntes Gesicht tauchte auf.
»Das freut mich aber, wie geht es dir denn?«, sagte Descho herzlich zu seinem Kollegen Roman Kaller.
»Wie es einem halt geht, wenn die eigene Espressomaschine kaputt ist, obwohl man sie dringend braucht.«
»Da kann ich dir helfen. Ich werde dafür sorgen, dass der Espresso angemessen stark ausfällt.«
Kaller nickte. »Ich bitte darum. Vor zehn Minuten sind wir alarmiert worden. Fast
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