Maedchenauge
ungefähr dreizehn Uhr hat sie sich in ihrem Büro aufgehalten. Überraschend war, dass sie sich, anders als üblich, keinerlei Imbiss hat schicken lassen. Wir haben nämlich ein hausinternes Buffet-Service von guter Qualität. Damit meine Leute nicht Zeit vergeuden, indem sie auswärts essen gehen. Außerdem verdiene ich am Catering. So haben alle etwas davon.«
»Aus Ihrer Sicht verständlich.«
»Kurz nach dreizehn Uhr ist Frau Koch von einem Wiener Anwalt angerufen worden. Es war dieser Herr Sima. Kein Freund von mir. Sie hat noch ein wenig telefoniert und ihren Kollegen schließlich mitgeteilt, rasch ein Interview führen zu müssen. Seitdem haben wir nichts mehr von ihr gehört. Das wird Ihnen hoffentlich weiterhelfen. Denn mehr weiß ich beim besten Willen nicht, Frau Doktor Horn.«
»Das tue ich auch. Hoffen. Vielen Dank für Ihre Kooperation, Frau Bonino …«
»Für Sie bin ich jederzeit zu sprechen. Viel Erfolg.«
Sie hatte das Gespräch ebenso rasch beendet, wie Lenz das zu tun pflegte. Gleichwohl war Lily zufrieden. Wahrscheinlich hatte Gaby Koch durch Sima erfahren, dass Tom und Nicole ein Alibi angegeben hatten, in das sie selbst verwickelt war. Dies musste der Auslöser für ihr weiteres Verhalten gewesen sein.
Lily berichtete Belonoz, was sie von Bonino erfahren hatte.
»Aber mit wem hat Gaby Koch ein Interview führen wollen?«, fragte er.
»Falls es keine Ausrede war … zum Beispiel mit der Person, von der sie geglaubt hat, dass sie mehr über die Sache weiß. Oder zu der sie ein besonderes Vertrauensverhältnis besitzt.«
»Das heißt, mit …«
»Lavinia«, sagte Lily. »Sonst bleibt niemand mehr übrig.«
»Vielleicht sind die beiden zu zweit unterwegs. Womöglich so gut getarnt, dass wir lediglich darauf warten können, bis sie zufällig irgendwo ertappt werden.«
»Was haben die Hausdurchsuchungen ergeben?«
Er griff sich an die Stirn. »Das habe ich Ihnen total unterschlagen … Bei Gaby Koch war nichts Wesentliches zu finden. Ihr Laptop wird gerade durchforstet. Anders verhält es sich mit Lavinia. In ihrem Zimmer und auf der Toilette waren winzige Reste von Heroin. Sicher hat sie das Zeug hinuntergespült. Jetzt kommt das Schönste. Wir haben die Umgebung des Linnéplatzes durchsucht. In einer Mülltonne ist ein zerschnittener Lederanzug aufgetaucht. Ziemlich nachlässig, finden Sie nicht?«
»Da hat jemand übereilt gehandelt, der sich zuvor allzu sicher gefühlt hat. Oder es ist schon das Stadium eingetreten, in dem Täter jegliche Vorsicht ignorieren. Weil ohnehin schon alles egal ist. Und sie unbewusst sogar gefasst werden wollen.«
Mit einem Mal zeigte sich der alte, vertraute Belonoz. Sein Gesicht kündete von Unheil. »Es gibt noch die dritte Möglichkeit. Nämlich dass die Vollendung des geplanten Werks knapp bevorsteht. Was danach kommt, interessiert die Täter gar nicht mehr.«
*
Zehn Minuten später versammelte man sich im Besprechungszimmer. Die Nervosität der Anwesenden war spürbar. Lediglich Belonoz schien indifferent zu sein. Die gute Laune hatte er jedoch eingebüßt. Vor allen Teilnehmern lagen die Handys, um sofort von neuen Entwicklungen zu erfahren.
»Seitdem die Großfahndung eingeleitet ist«, sagte Steffek, »arbeiten wir und die Kollegen unter Hochdruck. Bahnhöfe, Flughäfen, Züge und der gesamte öffentliche Personenverkehr werden unter die Lupe genommen. Die Taxiunternehmen wissen Bescheid, außerdem haben wir die Medien via Aussendung informiert und um Mithilfe ersucht. Die Namen der Gesuchten haben wir zurückgehalten, momentan begnügen wir uns mit exakten Personenbeschreibungen und Fotos. Selbstverständlich stehen die Villa am Linnéplatz sowie das Wohnhaus von Gaby Koch unter Beobachtung. Das ist es im Wesentlichen, was sich derzeit tut.«
Lilys Stimme klang belegt. »Die Zeit drängt. Vermutlich ahnen die Täter, dass wir ihnen auf den Fersen sind. In einer derartigen Phase ist alles möglich. Verzweiflungstaten miteingerechnet. Weitere Tote sollten wir unter allen Umständen verhindern.«
»Was hat die Durchsuchung von Kochs Wohnung noch ergeben?«, fragte Belonoz.
»Das Schlafzimmer war tapeziert mit Fotos von Tom«, sagte Kovacs. »Generell hat nichts den Eindruck erweckt, dass sie womöglich verreist ist. Ihr Bett war nicht gemacht, in der Küche haben wir die Reste des Frühstücks gefunden, der Kühlschrank war prall gefüllt. Von Drogen übrigens keine Spur. Lediglich viel Rotwein.«
»Lebt sie allein?«, fragte Lily.
»Nur
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