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Maedchenauge

Maedchenauge

Titel: Maedchenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian David
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trifft man meistens auf biedere Familienväter und harmlose Büroangestellte mit Hornbrille.«
    »Sie sind gut informiert. Obwohl Sie erst seit heute an einem Serienmörderfall arbeiten.«
    »Daran ist mein Studium schuld«, sagte Lily und lächelte. »Ich habe einen Kurs in Kriminologie absolviert, bei dem es um Serienmorde ging. Natürlich alles nur theoretisches Wissen. Aber ohne Theorie keine Praxis.«
    »Dann bin ich auf diesen Emberger schon sehr gespannt. Das Bürschlein aus den besseren Salzburger Kreisen.«
    Belonoz gab sich keine Mühe, seine Verachtung gegenüber gesellschaftlichen Eliten zu verhehlen.
    Es war kurz nach Mitternacht, als Lily und der Major wieder hinaus ins Freie traten. Beide waren froh, dass der Tag zu Ende ging. Vor allem sehnten sie sich nach Schlaf. Sie wollten sich erholen, um für das Kommende gerüstet zu sein. Was immer auch noch geschehen sollte, die Arbeit war noch nicht getan. Zu viele Leerstellen warteten darauf, gefüllt zu werden. Gespräche mussten geführt und Spuren gedeutet werden. Beweise waren zu erbringen, um eine Anklage wasserdicht zu gestalten.
    Kurz bevor sie einander die Hände zum Abschied reichten, läutete das Handy von Major Belonoz. Er entschuldigte sich und wandte sich ab. Lily stand da und sah sehnsüchtig in Richtung Votivkirche, wo ihr Bett schon auf sie wartete. Die süßen, üppigen Palatschinken mit der Marillenmarmelade aus der Wachau hatten wie ein Sedativ gewirkt.
    Belonoz ging ein paarmal im Kreis, während er telefonierte. Lily konnte nicht verstehen, was er sagte und worum es ging.
    Als er zurückkehrte, sah das Gesicht des Majors bleich aus. Er schüttelte den Kopf.
    »Keine gute Nachricht, Frau Doktor.«
    Lily verspürte ein plötzliches Unbehagen.
    »Was ist los?«, fragte sie alarmiert.
    »Nichts Gutes.«
    »Sagen Sie es schon.«
    »Vor einer halben Stunde ist eine junge Frau erstochen aufgefunden worden. Zeugen geben an, sie hätten einen Mann mit Helm und Motorradfahrerkleidung gesehen. Aus schwarzem Leder.«
    Fünf Minuten später traf ein Polizeifahrzeug ein. Lily und der Major fuhren zum Tatort im siebten Bezirk. Sie waren gerade dort eingetroffen, als Belonoz ein weiterer Anruf erreichte.
    Man hatte Sebastian Emberger entdeckt. In der Nähe Wiens war er in seinem Auto gegen einen Betonpfeiler gerast. Er musste sofort tot gewesen sein.
    *
    Sie hatte ihr Handy direkt neben ihr Bett gelegt. Als die zweite Nachricht dieser Nacht eintraf, schreckte Marina Lohner hoch. Eilig langte sie nach dem Telefon und las, was er ihr geschrieben hatte.
    Sie ermahnte sich dazu, einmal tief durchzuatmen. Dann stand sie auf und ging in die Wohnküche, um ein Glas Wasser zu trinken. Kurz fragte sie sich, ob es überhaupt sinnvoll sei, zum jetzigen Zeitpunkt über irgendetwas ernsthaft nachdenken zu wollen.
    Stotz hatte sein Vorgehen geändert, aus Rücksicht auf die Umstände. Der Plan des Bürgermeisters war von der Realität durchkreuzt worden. So viel hatte sie bereits nach der ersten Nachricht gewusst. Nur nicht, wie sie selbst damit umgehen sollte.
    Nun war plötzlich wieder alles offen. Wie würde Stotz darauf reagieren? Würde er einfach an dem Vorhaben festhalten, sie ins Aus zu befördern? Sollte sie deshalb ebenfalls das tun, was sie zu tun beabsichtigt hatte? Oder sollte sie auf eine Versöhnung mit Stotz hinarbeiten, um angesichts der kommenden Wahl Schaden für die Stadtregierung und die Partei zu vermeiden? Gäbe es die Möglichkeit für einen Kompromiss? Oder waren die Fronten so verhärtet, dass jener den Sieg davontragen würde, der als Erster zum Großangriff blasen würde?
    Marina Lohner rieb sich die Stirn. So viele Fragen und Unwägbarkeiten.
    Doch keine Antworten, jedenfalls nicht jetzt. Sie trank noch ein Glas Wasser und nahm ein Kopfschmerzpulver. Nervös und unzufrieden fühlte sie sich, überfordert und ängstlich. So wie viele Politiker. Anders jedoch als Berti Stotz hatte sie sich stets bemüht, nicht Trost im Alkohol oder anderen Drogen zu suchen.
    Vielleicht, fiel ihr dann ein, würde es aber gelingen, eine dritte Person zu finden, die als Sündenbock herhalten könnte. Damit könnten beide Seiten zufriedengestellt werden. Wie war diese Lily Horn eigentlich dazu gekommen, als Staatsanwältin diesen dringenden Fall zu übernehmen? War sie ein Protektionskind von Stotz, über dessen Kontakte in Justiz- und Polizeikreise Marina Lohner so gut Bescheid wusste wie niemand sonst? Wenn ja, dann konnte man sie zuerst erledigen und damit

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