Maedchenauge
Verantwortung.«
Lily blickte die Anwesenden der Reihe nach an. Die Mienen der Kriminalbeamten hatten sich leicht aufgehellt.
»Jetzt muss ich wissen, was der letzte Stand der Ermittlungen ist.«
Belonoz hob die Augenbrauen. »Also? Emil, Marlene? Was habt ihr zu bieten?«
Kovacs blickte Metka kurz von der Seite an.
»Dann fange ich halt an«, sagte er und ordnete dabei die Unterlagen, die auf seinen Oberschenkeln lagen. »Das Opfer war eine gewisse Selma Jordis. Fünfundzwanzig Jahre alt. In Wien geboren und aufgewachsen. Studentin an der Universität für angewandte Kunst.«
»Was hat sie studiert?«, unterbrach Lily.
Angestrengt blätterte Kovacs in den Unterlagen, bis er die gesuchte Information gefunden hatte. »Das war … genau, Design. Sie war knapp vor dem Abschluss. Offenbar eine sehr gute, tüchtige Studentin, die schon ein paar Preise gewonnen hat.«
»Was wissen wir über die Wohnung, in der sie gefunden worden ist?«
»Sie war dort als Mieterin gemeldet. Seit drei Jahren. Davor hat sie bei den Eltern gewohnt. Ein Jahr hat sie in London verbracht, als Gaststudentin an … irgendeiner königlichen … Royal irgendwas … Wo hab ich das jetzt …?«
»Ist ja momentan scheißegal«, warf Belonoz ein. »Was machen die Eltern?«
»Der Vater«, sagte Marlene Metka, »ist Manager bei einer Versicherung. Kein Vertreter oder so, sondern eine Führungskraft.«
»Na sicher. Der kommt manchmal in der Zeitung vor. Stefan Jordis heißt er, wenn ich mich nicht täusche. Direktor der SecuriGen . Ein prominenter Mann, jedenfalls in Wiener Wirtschaftskreisen. Da können wir uns darauf einstellen, dass wieder irgendwer Druck auf uns ausüben wird, damit der Fall rasch geklärt wird.«
Belonoz massierte sich das Gesicht, und Metka war wieder am Wort. »Das Haus, in dem Selma Jordis gewohnt hat, gehört auch der SecuriGen .«
»Hat sie dort allein gelebt?«, erkundigte sich Lily.
»Anscheinend«, erwiderte Metka.
Lily nickte. Das Muster hatte sich wiederholt. Eine allein lebende Studentin mit Wohnung in einer guten Gegend nahe der Innenstadt.
Sie erinnerte sich an den Tatort. Das Opfer hatte im zweiten Stock eines aufwendig renovierten Altbaus gewohnt. Die Wohnung war geräumig und ruhig, dazu im schon seit Ewigkeiten angesagten siebten Bezirk. Also der Traum aller Studenten, vor allem jener, die sich dergleichen niemals leisten konnten.
Lily schätzte die Wohnungsgröße auf rund neunzig Quadratmeter. Drei Räume mit weißen Wänden, gezielt und geschmackvoll eingerichtet. An den Wänden moderne Kunst, außerdem viele herumstehende Modelle und Entwurfszeichnungen. Eine Hifi-Anlage von Bose, in der ein iPod steckte. Ein großer Flachbildschirm, ein Apple-Computer in einem Raum und ein Apple-Notebook in einem anderen. Stapel von Kunst- und Modezeitschriften. CDs und alte Vinylschallplatten. Ein Regal voller DVDs mit Spielfilmen und Videoclips. Lily hatte bei ihrem Rundgang genauer hingesehen und eine DVD mit Musikvideos von Chris Cunningham entdeckt. Dessen Namen kannte sie von Albine, die oft von dem Regisseur geschwärmt hatte.
»Wir haben schon mit ein paar Nachbarn gesprochen«, sagte Metka gerade, »die geben an, Selma Jordis manchmal in Begleitung eines jungen Mannes gesehen zu haben.«
»Wahrscheinlich ihr Freund«, bemerkte Belonoz. »Sie war ja durchaus attraktiv. Dann wird sie nicht allein gewesen sein.«
Metka verzog kurz den Mund, schwieg aber.
Lily sah zur Stirnseite des Raums. Ein Beamer projizierte mehrere Fotos vom Tatort an die Wand. Dazu eines von Selma Jordis, offenbar ein vergrößertes Passbild. Sie musste hübsch gewesen sein, Belonoz hatte nicht übertrieben. Längeres dunkles Haar, ausdrucksvolle Augen, entspannte Gesichtszüge. Sie wirkte stark, in sich ruhend, gefestigt.
All das war nun zerstört worden durch die Hand des unbarmherzigen Mörders.
»Von einem Freund wissen wir aber noch nichts Definitives«, meldete sich Kovacs zurück. »In der Wohnung haben wir keine Hinweise dazu gefunden. Keine Fotos, die das Opfer mit jemandem zeigen. Auch sonst keine Spuren, dass in der Wohnung jemals ein Mann war. Keine zweite Zahnbürste, keine Kondome, keine Unterwäsche oder Kleidungsstücke, die auf einen Mann schließen lassen.«
So wie bei Magdalena Karner, fiel Lily auf.
»Irgendwelche Spuren im Bett?«, fragte sie.
»Frisch bezogen. Völlig unberührt. Die Tote hat eine Putzfrau gehabt, die jeden Montag gekommen ist. Die hat natürlich auch die Bettwäsche gewechselt.«
»Was
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