Maedchenauge
und wenn es nötig sein sollte, werden wir alle damit überraschen, was wir tun. Alle, die gegen uns sind, werden mit großen Augen dastehen, aber sie werden nichts mehr tun können. Es wird vollbracht sein für immer und ewig. So wird es sein, weil es uns so bestimmt ist. Das klingt stark religiös. Fast schon krankhaft. Aber wenn beide wissen, worum es geht, hätte es einen Sinn. Da hat es ein Hindernis gegeben, das überwunden werden sollte.«
»Was für ein Hindernis könnte das gewesen sein?«
Bardels Gesicht leuchtete auf. »Na, ganz einfach. Seine Eltern haben es abgelehnt, dass Magdalena Karner seine Freundin ist. Oder dass er sie womöglich heiratet. Wir wissen doch mittlerweile, dass sich die Embergers für etwas Besonderes halten. Wenn dort die Polizei aufkreuzt, wird gleich beim Oberstaatsanwalt in Wien interveniert. Dazu gibt es diese Geschichte mit der Tochter eines Salzburger Politikers, die mitten in der Nacht bei der Polizei erscheint und behauptet, von Sebastian Emberger bedroht worden zu sein. Was anschließend vertuscht wird, damit kein Aufsehen entsteht. Weil in solchen Kreisen ja immer heile Welt gespielt wird. In diese Atmosphäre passt eine Verbindung wie die zwischen Emberger und Magdalena Karner nicht. Das Mädchen aus der Mittelschicht ist nicht gut genug für diesen tollen jungen Mann.«
Nika Bardel hatte ihre Analyse beendet und sah sehr entschlossen aus. Lily schaute die Kriminalbeamtin lange an. »Besser kann man es nicht formulieren. Bleibt nur die Frage, ob das, was Sebastian Emberger geschrieben hat, ihn verdächtig macht.«
»Die Fakten können wir nicht ignorieren«, sagte Belonoz düster. »Nämlich dass Emberger zum Zeitpunkt der beiden letzten Morde in Wien war.«
»Und was ist mit den ersten zwei Morden?«, fragte Lily. »Wo war Emberger da?«
Steffeks Mund wurde schmal. »Tut mir leid, das habe ich total vergessen. Signale von Embergers Handy sind auch an diesen Samstagen in Wien empfangen worden.«
Schlagartig war es still geworden. Alle dachten intensiv nach, um die richtigen Schlüsse aus den widersprüchlichen Informationen zu ziehen. Niemand rührte sich.
Dann durchbrach Marlene Metka das Schweigen. »Nein, das passt für mich überhaupt nicht. Ich bin zwar jetzt am Fall Jordis dran gewesen. Aber ich habe hier zugehört und jetzt die Briefe gelesen … Also einfach vom Gefühl her stimmt da etwas nicht. Sorry, das hat jetzt gar nichts mit den Fakten zu tun, aber …«
»Das ist relevant, Frau Metka«, sagte Lily und sah die Kriminalbeamtin freundlich an. »Man darf das Gefühl bei solchen Ermittlungen nicht außer Acht lassen. Oft führt das weiter als das Starren auf die angeblichen Tatsachen. Es ist wichtig, den Instinkt niemals zu verdrängen.«
»Leider muss ich die Damen beim Gespräch über Intuition kurz stören«, unterbrach Belonoz und handelte sich einen zornigen Blick von Metka ein. »Im letzten Brief schreibt unser sensibler Frauenversteher Emberger nämlich: In letzter Zeit ist mir aufgefallen, wie wenig ich eigentlich zu Dir durchdringen kann. Da gibt es immer eine Wand, die zwischen uns steht. Du warst und bist für mich unerreichbar. Es war mir oft, als würdest Du Dich mir entziehen. Eine Fremdheit war zwischen uns, die mir in der letzten Zeit stärker aufgefallen ist als früher. Ob es an mir liegt, weiß ich nicht. Vielleicht bin ich schuld daran. Wenn das so ist, möchte ich mich entschuldigen, falls ich Dich irgendwie abgestoßen haben sollte. Dann möchte ich alles wiedergutmachen und dafür sorgen, dass so etwas nie mehr zwischen uns steht. Hier habe ich auch eine kleine Intuition. Vielleicht waren die beiden nicht nur die Salzburger Version von Romeo und Julia, bei denen die böse Umgebung die ideale Liebe verhindert. Sondern womöglich war auch zwischen den beiden etwas nicht in Ordnung. Und das war Magdalena Karners Verhalten. Ihre Angst vor Nähe. In körperlicher oder seelischer Hinsicht. Oder beides zusammen.«
Belonoz setzte die Brille ab und schaute in die Runde.
Lily sah ihn lange an. Als sie zu sprechen begann, klang ihre Stimme ernster als zuvor. »Sie haben recht, Herr Major. Sie haben wichtige Sätze vorgelesen. Ich glaube, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir müssen nur noch die Zeichen richtig deuten. Irgendetwas von dem, was in der letzten halben Stunde gesagt worden ist, wird uns zum Mörder führen. Das spüre ich. Und deshalb wird diese … wie sagen Sie immer? Genau, Piste . Also diese Piste wird weiter
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