Maedchenauge
sagen Sie?«, fragte Lily und sah alle nacheinander an.
Nika Bardels Kopf schwankte unschlüssig, doch sie wagte einen Anfang. »Ich bin überrascht. Wirklich. Da denkst du, einen Eindruck von diesem Emberger gewonnen zu haben, und dann … einfach unglaublich.«
Steffek und Metka nickten zustimmend.
»Völlig richtig«, sagte Metka mit erstaunt hochgezogenen Augenbrauen. »Das ist so ganz anders, als ich es mir erwartet hätte. Überhaupt, dass er Briefe geschrieben hat. Wer tut das heute noch? Es gibt E-Mails und SMS und man telefoniert. Aber einen Brief schreiben, noch dazu mit der Hand?«
Steffek schloss sich umgehend an. »Die Texte zeigen zwei Dinge, Frau Staatsanwältin. Einerseits, dass er Magdalena Karner offenbar stark verehrt hat. Er schreibt einmal Meine liebe Lena , dann Liebste Lena und schließlich Über alles geliebte Lena . Das ist … fast schon poetisch, würde ich sagen. Seine Briefe sind intensiver geworden, drängender. Man erkennt das am Datum. Er benötigt fast zwei Drittel des Textes allein dafür, ihr zu schildern, was sie ihm alles bedeutet.«
»Stimmt genau«, unterbrach Bardel. »Er schreibt zum Beispiel: Als ich Dich zum ersten Mal sah, war es für mich, als hätte ein Blitz eingeschlagen. In mir entstand ein Feuer, das nie mehr erlöschen wird. Sicher, das klingt kitschig wie aus einer schlechten Fernsehsoap, aber ich habe nie … ich meine, solche Worte liest eine Frau natürlich gerne. Vorausgesetzt …«
»Ja?«, fragte Lily neugierig. »Was vorausgesetzt, Frau Bardel?«
»Na dass so ein Brief von jemandem kommt, den man auch selbst mag. Von einem Fremden möchte ich das sicher nicht geschickt bekommen. Da käme ich mir belästigt vor.«
»Frau Bardel, Sie sprechen einen wichtigen Punkt an. Aber bleiben wir beim reinen Inhalt der Texte. Frau Metka, was meinen Sie?«
Marlene Metka verzog den Mund. »Das stimmt ja alles, was gesagt wurde, aber … Ich bin es sicher nicht gewohnt, dass mir jemand sowas schreibt. Es kommt wirklich darauf an, wie das Verhältnis zwischen Emberger und Karner eigentlich war.«
»Genau darum geht es. Was sagen die Briefe über die beiden aus?«
»Da muss schon einiges zwischen ihnen gewesen sein. Etwa die Stelle: Ich wusste sofort, dass Du die Eine bist, auf die ich immer gewartet habe. Mein Herz verriet mir, dass ich niemals wieder jemandem begegnen würde, der so ist wie Du. All das fühle ich immer noch. Nichts kann das jemals ändern. Wir gehören zusammen. Du bist mein Schicksal. Nur mit Dir kann ich ein echter Mensch sein. Du machst mich zu einem besseren Menschen. Bitte, das ist ein Wahnsinn. Entweder ist der Typ verrückt, oder … oder er meint das wirklich völlig ernst.«
»Was glauben Sie?«
»Ich weiß nicht, aber … auf jeden Fall hat mehr in Sebastian Emberger gesteckt, als ich geglaubt habe. Er war offenkundig so völlig besessen von Magdalena Karner, dass er ihr sowas mitteilen wollte.«
»Hat er aber nicht«, sagte Kovacs nüchtern. »Er hat diese Briefe ja nie abgeschickt.«
»Haben Sie etwas dieser Art in Karners Besitz gefunden?«, fragte Lily.
Steffeks Kopfschütteln signalisierte ein stummes Nein. »Entweder hat er ihr nie einen derartigen Brief geschrieben oder …«
»… oder sie hat ihn vernichtet. Beide Möglichkeiten zeigen, dass es zwischen Emberger und Karner etwas gegeben hat, das nicht ausgesprochen werden sollte.«
»Und was war das?«
»Einseitige Gefühle vielleicht. Oder etwas, in das beide involviert waren. Was es auch immer war.«
Belonoz drehte sich nach links zu Lily. »Alles ganz interessant, Frau Doktor. Aber wieso ist das für die Ermittlungen relevant?«
»Wir können den Tod von Magdalena Karner nicht ohne den Tod von Sebastian Emberger verstehen. Es gibt einen Zusammenhang. Mit Magdalena ist auch ein Teil von Sebastian gestorben. Ihre Ermordung war für Emberger ein Endpunkt.«
»Inwiefern?«
»Emberger hat eine Entscheidung gewollt. Von ihr. Und auch von sich selbst. Möglicherweise hat er diese Briefe vor allem geschrieben, um über seine Gefühle und seine Situation Klarheit zu erlangen. Herr Steffek, ich habe Sie vorhin unterbrochen. Sie haben gesagt, man würde zwei Dinge erkennen. Was war das zweite?«
Steffek musste kurz nachlesen, bevor er den Faden wiedergefunden hatte. »Also … hier zum Beispiel: Wir wissen beide, welche Hindernisse es zwischen uns gibt. Aber wir werden sie überwinden. Das verspreche ich Dir hoch und heilig! Nichts auf der Welt kann uns dann noch trennen,
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