Maedchenauge
jemanden getroffen hat.«
»Gibt es denn nicht irgendwelche beste Freundinnen, die uns helfen könnten?«
»Klar. Selma Jordis hat eine wirklich enge Freundin gehabt.«
Lily blickte Metka erstaunt an. »Nur eine?«
»Leider. Sie heißt Ulla Koppel.«
»Mit ihr hat man schon geredet?«
»Ulla Koppel befindet sich bis Anfang Juli in Barcelona. Ein Stipendium, Erasmus heißt das, glaube ich … Wir müssen erst herausfinden, wie wir sie kontaktieren können.«
»Das ist absolut dringend. Und sonst?«
»Selma Jordis war ein Einzelkind. Sie hat sich komplett auf ihr Studium konzentriert. Die Kontakte zu Mitstudenten waren nicht besonders tiefschürfend. Sonstige echte Freunde haben wir nicht finden können. Mit einer Ausnahme. Nicole.«
»Und wer soll das sein?«, fragte Lily stirnrunzelnd.
»Gute Frage. Wir kennen nur den Vornamen. Eine junge blonde Frau Anfang oder Mitte zwanzig. Etwa gleichaltrig wie Selma Jordis. Seit einem halben Jahr ist sie regelmäßig zusammen mit Selma Jordis gesehen worden. Die beiden haben sich offenbar ganz gut verstanden.«
»Seit wann hat die Bekanntschaft oder Beziehung zwischen Jordis und dem unbekannten Hübschen bestanden?«
»Erst zwei Monate. Niemand hat ihn jemals früher mit ihr getroffen.«
»Also zwei Unbekannte. Ein junger Mann, eine junge Frau. Ein Vorname.«
Kovacs meldete sich zu Wort, seine Stimme klang nun besonders sonor. »Wir warten auf die Eltern von Selma Jordis. Sie landen heute Abend in Wien. Kommen aus Barcelona. Dort haben sie auch diese Ulla Koppel getroffen, wie ich gehört habe. Vielleicht ergibt sich aus dieser Konstellation irgendwas.«
Mehrmals nickte Lily dem Team zu. »Danke, Sie alle haben großartige Arbeit geleistet. Mich irritiert nur noch eines … Es gibt bei den jüngsten Morden unglaublich viele Spuren und Hinweise, ganz anders als bei den ersten zwei Verbrechen. Aber fast alles bleibt undeutlich und verschwommen …«
»Willkommen bei der Mordkommission, Frau Doktor«, sagte Belonoz. »Es ist Sommer und die Sonne scheint. Aber überall, wo wir auftauchen, ist plötzlich dicker Nebel.«
»Vielleicht in Wien, Herr Major. In Salzburg scheint gelegentlich die Sonne für uns.«
Lily holte aus der Mappe mit ihren Unterlagen sechs Seiten Papier und hielt sie hoch.
»Aber bevor wir weitermachen, schlage ich zwanzig Minuten Pause vor. Sie alle schauen aus, als bräuchten Sie dringend einen starken Kaffee. Und ich … Also falls Sie für mich irgendwelche Kekse oder Chips haben, bitte her damit. Sonst verhungere ich noch, bevor der Mörder in Haft ist.«
14
»Meine Damen und Herren, ich ersuche Sie, sich bestmöglich auf die Prüfung vorzubereiten. Sie wissen, ich lege Wert darauf, nur künftige Nobelpreisträger auszubilden.«
Die Studenten kicherten nervös.
»Mir hat das Semester große Freude bereitet«, sagte Professor Dalik in aufgekratzter Stimmung. »Sorgen Sie bitte dafür, dass alles ein gutes Ende nimmt. Falls Sie Fragen haben, wenden Sie sich an meine Assistenten. Und falls nicht, untersuchen Sie umgehend, ob Ihr Puls überhaupt noch aktiv ist.«
Erneut erntete Dalik Gelächter. Die letzte Vorlesung im Semester gestaltete er wie üblich betont locker. Überhaupt liebte er es, sein Fachgebiet mit sarkastischen Bemerkungen zu vermitteln, die er mit völlig ernster Miene servierte.
Hier, in einem fensterlosen, vom hässlichen Licht der Leuchtstoffröhren erhellten Vorlesungssaal des Wiener Allgemeinen Krankenhauses, war man ihm dafür stets dankbar. Nicht zuletzt jene, die sich kaum für Gerichtsmedizin begeisterten, schätzten seine ironische Art.
»Ich habe mich gefreut, dass Sie meine Vorlesung mit Ihrer Anwesenheit und interessanten Fragen bereichert haben«, sagte Dalik. »Gut, dass wir einander hier kennengelernt haben. Und nicht bei einer Gelegenheit, wo ich mich über Sie beuge und die Leichenstarre messe.«
Wieder lachten die Studenten.
»Glauben Sie mir, Sie sollten erst lachen, nachdem Sie meine Prüfung bestanden haben. Sie haben Arbeit vor sich. Sagt Ihnen das Wort Arbeit eigentlich etwas oder muss ich es für Studenten buchstabieren? A wie Alkohol, R wie Rauchen, B wie Bier, und so weiter … Allerdings darf ich Sie trösten, auch ich habe zu tun. In Wien scheint jemand in letzter Zeit erpicht darauf, mich dauernd an Tatorte zu zitieren.«
»Sie haben einen Fan, Herr Professor!«, rief jemand aus den höheren Rängen des Saales und alle lachten.
Dalik deutete gespieltes Entsetzen an. »Natürlich, da hat
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