Maedchenauge
Körper. Das bringt die Ausbildung mit sich. Da steht man im Anatomiekurs bei nackten, kalten Leichen und schnipselt an ihnen herum.«
Belonoz war nicht überzeugt. »Von allen, die bisher über Magdalena Karner ausgesagt haben, hat keiner eine solche Möglichkeit auch nur angedeutet.«
»Es wäre nur natürlich, dass sie das eher nicht an die große Glocke gehängt hat. Würden Sie das Ihren Freunden oder Bekannten erzählen? Das ist also kein Argument. Außerdem … Denken Sie an die Briefe von Sebastian Emberger. Wo er sinngemäß schreibt, dass sie sich ihm entzieht. Vielleicht ist das, was wir hier sehen, ein Grund dafür gewesen. Weil sich Magdalena Karner mehr vom Leben erwartet hat als einen einzigen, treuen Verehrer. Und andere Sehnsüchte oder Begierden hatte. Wir wissen nicht, was wirklich alles in ihrem Hirn vor sich ging. Wir können nur aus den Umständen darauf schließen. Dafür müssen wir alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Und untersuchen.«
Für den Bruchteil einer Sekunde schien Belonoz zu lächeln, bevor er wieder sein kühles Gesicht zurückgewonnen hatte. »Interessant, Frau Doktor Horn. Sie wollen den Mörder fangen, schonen das Opfer aber überhaupt nicht.«
»Nur weil Magdalena Karner ermordet wurde, heißt das nicht, dass sie ein jungfräulicher Engel auf Erden war.«
Belonoz nickte, er hatte begriffen. Und er wunderte sich fortan nicht mehr, dass diese so zerbrechlich zarte Frau neben ihm eben jene sture Staatsanwältin gewesen war, die einen flüchtigen Mehrfachmörder aufgestöbert hatte.
»Einverstanden«, sagte er. »Machen wir uns auf die Suche nach dem Webcamgirl.«
Energisch schüttelte Lily den Kopf. »Das war nur eine Variante, die in Frage kommt. Persönlich glaube ich an etwas anderes. Das nur kaum besser ist als die Webcam-These.«
»Was denken Sie?«
»Mein Gefühl sagt mir, dass Magdalena Karner zum Fenster hin agiert hat. Nicht zu jemandem in der Wohnung.«
»Sie meinen, in Richtung der Person, die diese Aufzeichnungen gemacht hat.«
»Exakt.«
Belonoz atmete tief ein. »Womit klar ist, auf wen sie abgezielt hat.«
»Natürlich. Der Aufnahmewinkel und die Position der Kamera lassen keinen anderen Schluss zu. Das müssen Bilder sein, die Horvath aufgenommen hat. Unser Voyeur.«
»Aber aus welchem Grund sollte sie für ihn getanzt haben? Das klingt komplett verrückt …«
»Wie alle Bilder sind auch diese hier mehrdeutig, Herr Major. Wir müssen sie erst entschlüsseln, um ihre Bedeutung zu verstehen. Aber mein Gefühl … Ich weiß einfach, dass wir hier etwas ganz Entscheidendes sehen. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was es ist. Aber es ist etwas, das mit dem Mord zu tun hat.«
»Sie meinen jetzt die Bilder des Mörders?«
»Nein … obwohl sie immerhin der Beweis sein könnten, dass Horvath den wahrscheinlichen Täter korrekt beschrieben hat. Auch wenn er uns die Bilder dazu vorenthalten hat … Es war offenbar tatsächlich eine in schwarzes Leder gekleidete Person, und damit wird eine Brücke zum Fall Jordis geschlagen, wo … Egal, ich meine etwas anderes. Etwas, das mit Magdalena Karner zu tun hat, die nackt für eine Kamera tanzt. Und damit, dass sie sich so darbietet, sich unbekleidet beobachten lässt, ganz bewusst. Das ist etwas Entscheidendes. Nur in welcher Hinsicht … das müssen wir erst herausfinden. Dafür besitzen wir nicht genügend Informationen.«
»Sie müssen Horvath verhören. Ist er noch in Haft?«
»Natürlich. Auf meinen Antrag ist über ihn eine vierzehntägige Untersuchungshaft verhängt worden. Wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr. Die Richterin hat so entschieden. Um dem Voyeur eine Lektion zu erteilen.«
»Wann wollen Sie ihn zu dieser Sache vernehmen?«
»Jetzt gleich«, sagte Lily emotionslos.
»So spät am Abend?«
»Das ist nicht verboten. Auch wenn sein Anwalt einen Anfall kriegen wird, sobald wir ihn aus einem Luxusrestaurant jagen. Aber wir müssen unseren Vorteil nutzen.«
»Nämlich?«
»Dass wir jetzt schon von dieser DVD wissen.«
»Wieso …?«
»Wahrscheinlich hat niemand damit gerechnet, dass ich heute Abend noch einmal in mein Büro komme. Weil ich mein Handy vergessen hatte. Die DVD ist ausgerechnet heute spät am Abend beim Portier abgegeben worden. Als ob jemand versucht, sich abzusichern.«
»Jetzt habe ich keine Ahnung, was Sie meinen, Frau Doktor.«
»Der Zeitpunkt war sicher nicht zufällig gewählt. Die DVD ist hier abgeliefert worden, aber es war klar, dass ich erst morgen früh
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