Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maedchenauge

Maedchenauge

Titel: Maedchenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian David
Vom Netzwerk:
Schreibtisch nieder.
    Barbara Jordis war Ende fünfzig, sie trug ein zartes, schwarzes Kostüm, dem man Qualität und Preis sofort ansah. Ihr Mann Stephan, der Generaldirektor, war älter als sie. In einen edel geschnittenen, grauen Anzug mit feinen Nadelstreifen gekleidet, hatte er zu seinem makellos weißen Hemd eine matt schimmernde, schwarze Krawatte umgebunden.
    So, wie sie aussahen und wirkten, hätten sie bei einer Abendeinladung auftreten können. Dennoch offenbarten manche ihrer Blicke und Gesten bei sorgfältiger Beobachtung, und sei es bloß für Bruchteile von Sekunden, eine tiefsitzende Verunsicherung.
    Zugleich wirkte das Paar in diesem kahlen, auf das Notwendigste reduzierten Büro einer österreichischen Staatsanwältin sehr fremd. Wie hereingeschneit aus einer von menschlichen Abgründen niemals berührten, von genügend Geld abgefederten Welt, die Krankheit und Tod als bloße Störungen betrachtete.
    Lily offerierte beiden ihr Mitgefühl und ihre Anteilnahme. Sie nahmen diese Bekundungen mit scheinbar geübter Geste entgegen, als ginge sie es persönlich gar nichts an.
    »Ich möchte Ihnen nur mitteilen, Frau Staatsanwältin«, sagte der Generaldirektor der SecuriGen schließlich in keineswegs unfreundlichem, aber sachlichem Tonfall, »dass wir Ihnen für Ihre Bemühungen herzlich danken. Wir sind derzeit, wie Sie sich vorstellen können, mit zahlreichen Aufgaben konfrontiert, die wir zu erledigen haben. Wenn wir Ihnen hier irgendwie weiterhelfen können, würde das meine Frau und mich sehr freuen. Aber ich darf Sie ersuchen, es so kurz wie irgend möglich zu machen. Gezwungenermaßen haben wir viel zu tun.«
    Lily nickte höflich. »Selbstverständlich. Sie können sich außerdem darauf verlassen, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun, um Licht in diese Angelegenheit zu bringen.«
    »Vielen Dank, Frau Staatsanwältin, genau das habe ich von Ihnen erhofft. Ich weiß, dass Sie Ihr Bestes tun werden. Ihr Ruf eilt Ihnen voraus.«
    Lily bedankte sich freundlich. Zugleich erstaunten sie die formvollendeten Worte des Versicherungschefs. Trotz oder wegen ihrer dezent übertriebenen Höflichkeit verströmten sie eine kalte Geschäftsmäßigkeit. Als ginge es lediglich darum, einen verdienten Mitarbeiter zu würdigen. Das Unpersönliche schien dem Anlass dieses Zusammenseins nicht unbedingt angemessen.
    Lily erkundigte sich, wie das Ehepaar in Barcelona benachrichtigt worden war und ob man sie gut behandelt hätte. Stephan Jordis erzählte rasch, was sich abgespielt hatte, als ginge ihn das Ganze nicht wirklich etwas an. Zu nichts und niemandem hatte er etwas Negatives anzumerken.
    Doch schließlich wurde er deutlicher. »Frau Staatsanwältin, ich möchte Ihnen keine Vorgaben machen. Doch wenn es möglich wäre, schnell zum Kern dieses Treffens zu gelangen, wäre das eine Erleichterung für uns. Und bitte verschonen Sie uns mit konkreten Details. Das möchten wir nicht wissen. Es hilft uns nicht weiter. Wir müssen uns abfinden mit dem, was geschehen ist. Die Art und Weise des Hergangs würde uns nur belasten.«
    »Das ist durchaus in meinem Sinn«, sagte Lily und ertappte sich dabei, den gesetzten Tonfall ihres Gegenübers zu imitieren. »Ich habe eine ganz konkrete Frage an Sie. Nämlich, ob Sie mir irgendwelche Hinweise geben könnten, wer hinter dieser Tat stecken oder was das Motiv sein könnte. Auch wenn es aus Ihrer Sicht noch so irrelevant oder unglaubwürdig …«
    »Nein, Frau Doktor, da ist leider nichts, womit ich Ihnen dienen könnte. Oder willst du etwas dazu sagen, Barbara?«
    Er wandte sich an seine Frau, die mit freundlich runden Augen verfolgte, was sich zutrug. Kurz verzog sie ihre Miene, als müsste sie sich für etwas entschuldigen. »Du hast völlig recht, Stephan. Auch mir fällt überhaupt nichts ein.«
    »Wir sind eigentlich davon ausgegangen, dass diesbezügliche Auskünfte nicht von uns erwartet werden. Schließlich kennen wir den Rahmen für dieses Unglück. Nämlich, dass es hier um einen Serientäter geht, der in Wien zugange ist. Wie sollten wir dazu irgendetwas beisteuern könnnen? Das liegt bedauerlicherweise nicht in unserer Macht. Sie müssen sich diesbezüglich wohl auf Ihre Experten verlassen, Frau Staatsanwältin.«
    »Sie sehen das richtig«, sagte Lily, »nur ist es unsere Pflicht, die verschiedensten Erkundigungen einzuziehen. Jede noch so kleine Information kann ein Mosaiksteinchen sein, das am Schluss Teil eines großen Ganzen wird.«
    Generaldirektor Jordis

Weitere Kostenlose Bücher