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Maedchenauge

Maedchenauge

Titel: Maedchenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian David
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sagt mir mein Gefühl.«
    »Aha, dein berühmtes Gefühl«, sagte Seiler und lachte auf. »Lily, auch New York hat dich nicht verändert.«
    Seiler hatte, einmal mehr, mit dem Instinkt eines Jägers ihren wunden Punkt getroffen.
    » Ich bin prinzipiell immer bereit, mich zu ändern, Oliver. Aber ich mag es nicht, wenn irgendjemand mich ändern möchte.«
    »Du hast völlig recht, man muss die Dinge nehmen, wie sie sind … Übrigens freut es mich, dass du in dieser Sache anscheinend mehr Glück hast als ich … Wenn ich mir vorstelle …«
    Seilers Blick war herrlich verträumt geworden. Lily musste sich zusammenreißen. Sie durfte ihn nicht so lange anschauen.
    »Komm, Oliver«, sagte Sie. »Du kannst schließlich nicht alle aufsehenerregenden Fälle bearbeiten.«
    »Sicher, aber trotzdem … Ich hätte mich gefreut, etwas weiterzubringen. Meine Bilanz hat nicht gut ausgesehen. Wahrscheinlich habe ich mich zu stark um Pratorama gekümmert.«
    »Mach dir bitte keine Vorwürfe …«
    »Nein, ich mache mir keine Vorwürfe. Es ärgert mich.«
    »Die Sache mit dem jungen Mann aus Salzburg ist erst jetzt aufgekommen. Also hättest du nie, auch wenn du …«
    »War er der Täter?«, fragte Seiler hoffnungsvoll.
    »Er war jedes Mal in Wien. Und in der Nähe der Tatorte. Aber … Natürlich wäre man ein großes Problem los, wenn sich herausstellt, dass Emberger der Mörder war.«
    »Auf jeden Fall. Übrigens, Lily … wie schaut es mit unserem Mittagessen aus?«
    »Heute ganz schlecht. Vielleicht morgen, was meinst du?«
    »Passt mir ausgezeichnet.«
    »Ich werde es in den Kalender eintragen. Hoffentlich kommt nichts dazwischen. Jedenfalls nichts Unangenehmes. Positive Überraschungen sind herzlich willkommen.«
    »Na, vielleicht wird das morgige Mittagessen eine solche Überraschung.«
    Lily lächelte. »Versprich nicht zu viel, Oliver.«
    »Nur das, was ich auch halten kann«, erwiderte Seiler und lächelte sie verschmitzt an, während er ihr Büro verließ.
    Lily wandte sich wieder ihren Unterlagen zu. Sie suchte nach Ideen und Ansätzen für gute Fragen, doch ihr fiel nichts ein. Sie wurde zunehmend nervös, wenn sie an die bevorstehenden Gespräche mit den Eltern dachte. Als ahnte sie, dass diese Begegnungen wichtig sein würden. Weshalb jedes einzelne Wort gut gewählt sein musste.
    Eine Stunde später spürte sie ihren Hunger. Das Ehepaar Karner war für dreizehn Uhr angekündigt. Nur für den einen Tag waren sie nach Wien gekommen. Um alle traurigen Formalitäten zu regeln und die Dinge zum Abschluss zu bringen.
    Um fünfzehn Uhr sollten dann Herr und Frau Jordis in Lilys Büro erscheinen. Somit fiel das Mittagessen heute mit Sicherheit aus. Vorsorglich hatte sich Lily deshalb am Morgen schon etwas zu essen besorgt.
    Sie verschlang eine Topfengolatsche, weil sie nach Süßem gelüstete, trank Buttermilch dazu und gönnte sich danach noch eine große Portion Erdbeeren. So reif und saftig, dass jeglicher Zuckerzusatz ein Verbrechen am Eigengeschmack gewesen wäre.
    Lilys flaues Gefühl im Magen wollte indes nicht schwinden. Sie starrte auf die Tür zu ihrem Büro und kam sich vor, als müsste sie gleich eine große Prüfung absolvieren.
    Lächerlich, sagte sie sich in Gedanken, was soll denn schon geschehen?
    *
    Pünktlich um dreizehn Uhr hatten sie an die Tür geklopft. Nun saßen sie in den zwei Stühlen vor Lilys Schreibtisch und boten ein Bild des Elends.
    Man sah ihnen an, dass der Verlust der einzigen Tochter eine Katastrophe für sie sein musste. Sie bemühten sich darum, die Reste einer Selbstsicherheit zu bewahren, die sich aus ländlicher Erdverbundenheit speiste.
    Auf Lily wirkten sie wie schrumpelig gewordene Luftballons. Die Mutter wirkte noch lebhafter, während der Vater mit gefalteten Händen starr im Sessel hockte und düstere Gottergebenheit ausstrahlte. Immer wieder landeten die Blicke seiner Frau auf ihm, mit einer Mischung aus Besorgnis und schüchternem Wohlwollen.
    Sie hatten nicht viel zu sagen. Lily bemühte sich, das Gespräch in Gang zu bringen. Doch jedes Wort der Eltern schwebte tonnenschwer im Raum, bevor es langsam zu Boden sank. Der sonnige, heiße Tag draußen vor den Fenstern von Lilys Büro schien sehr weit weg zu sein. Hier drinnen herrschte Eiszeit.
    »Ich hoffe, die Reporter waren nicht zu aufdringlich«, sagte Lily.
    Da wachte Herbert Karner plötzlich auf. »Doch, das waren sie. Haben Sie eine Ahnung. So ein widerliches Gesindel. Dauernd wollen sie Fragen stellen. Und Fotos

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