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Maedchenauge

Maedchenauge

Titel: Maedchenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian David
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stimmigen Bild zusammenzufügen, wäre die Wahrheit endgültig festgemacht. Davon war Lily überzeugt.
    Erneut fiel ihr Deschos Anmerkung ein. Er hatte notiert, dass Herr Karner beim ersten Gespräch stark nach Alkohol gerochen habe. Lily hatte keine Möglichkeit gesehen, danach zu fragen. Womöglich wäre die Frage als Eindringen in die Intimsphäre empfunden worden und hätte die Gesprächssituation zerstört. Außerdem war natürlich nicht klar, ob dieses Detail irgendwie relevant war. Dennoch machte sich Lily heftige Vorwürfe, sich nicht danach erkundigt zu haben.
    Aber an dem, was gewesen war, ließ sich nicht mehr rütteln. Man musste damit auskommen. Also musste Herr Karner als Alkoholiker betrachtet werden. Seine Aussagen hatten entsprechend beurteilt zu werden. Auch heute hatte er zwischen Apathie und plötzlicher Erregung geschwankt. Seine Fragen hinsichtlich der Religiosität Lilys waren mit dem für Alkoholiker typischen Hang zu Aufdringlichkeit und emphatischer Vertrauensseligkeit erfolgt.
    Lily setzte sich an ihren Tisch, um Gesprächsnotizen anzufertigen. Danach erst kontrollierte sie ihr Handy, das die ganze Zeit über in einer Schublade gelegen war.
    Oberstaatsanwalt Lenz hatte angerufen und eine Nachricht auf der Mobilbox hinterlassen. Dringend ersuchte er um ein Gespräch.

18
    »Sie sind jetzt ein wahrer Medienstar, Frau Kollegin«, sagte Otto Maria Lenz am Telefon.
    Süßlich war der Tonfall zwar. Nicht unbedingt herzlich.
    Lily war unterwegs zur Besprechung mit Belonoz und dessen Mannschaft. Diesmal hatte sie sich entschlossen, den Weg zu Fuß zu bewältigen. Dabei konnte sie das Gespräch mit dem Oberstaatsanwalt hinter sich bringen. »Wenn sich ein solcher Auftritt hätte vermeiden lassen, wäre mir das durchaus recht gewesen.«
    »Sie sagen es … aber dieser Fall steht nun einmal im Zentrum der Aufmerksamkeit. Und damit auch Sie selbst. Sie werden damit leben müssen, solange … Aber wo wir gerade beim Thema sind … wie verlaufen die Ermittlungen?«
    »Aufschlussreich. Eine Fülle von Informationen und Material muss analysiert werden. Wir sind auf dem richtigen Weg.«
    »Hervorragend, Frau Kollegin. Sagen Sie, stimmt das, was Sie in der Pressekonferenz verlautbart haben, nämlich, dass Sie dem Mörder auf der Spur sind?«
    »Was nicht automatisch heißt, dass ich schon morgen eine Verhaftung anordnen werde.«
    »Das wäre auch zu schön gewesen. Aber Sie können mir sicher sagen, ob dieser Emberger in Betracht kommt.«
    »Als Täter? Das ist die große Frage.«
    Lenz’ Stimme geriet noch weicher. »Wissen Sie, es wäre für uns alle sehr günstig, wenn das die Lösung wäre. Die Eltern sind natürlich arm dran, das wäre nicht so ideal für deren Geschäft … Aber zumindest wäre das Vertrauen der Öffentlichkeit in Justiz und Polizeibehörden wiederhergestellt. Sie wissen, Frau Kollegin, was die Zeitungen über uns schreiben. Ein rasches Ende mit Schrecken wäre einem Schrecken ohne Ende ganz gewiss vorzuziehen.«
    »Das kann ich verstehen«, sagte Lily. Sie überlegte, ob österreichische Führungskräfte alle dieselbe Schule besuchten, wo übertrieben höfliches Herumreden und Jonglieren mit Konjunktiven gelehrt wurden. Generaldirektor Jordis hatte ähnlich auf sie gewirkt, wenngleich nicht so beamtenhaft verklausuliert.
    »Wenn es gute Hinweise auf Embergers Täterschaft gibt, dann lassen Sie sich nicht aufhalten, Frau Kollegin. In unserem Beruf wissen wir nur zu gut, dass man eben manchmal mit Indizien ein Auskommen finden muss. Man kann nicht immer alles hundertprozentig beweisen, nicht wahr?«
    »Das kann vorkommen, Herr Oberstaatsanwalt«, sagte Lily vorsichtig.
    »Um an den Anfang unseres Gesprächs zurückzukommen … das war natürlich eine starke Ansage von Ihnen, dieser Satz über die Pressefreiheit … Unrecht haben Sie nicht, ich war durchaus amüsiert. Trotzdem, vielleicht geht es das nächste Mal ein wenig milder … Journalisten sind die reinsten Mimosen. Sie wissen, was ich meine, Frau Kollegin … Also, alles Gute und viel Erfolg.«
    In seiner Manier, Gespräche mit Höflichkeitsfloskeln in die Länge zu ziehen, um sie relativ abrupt zu beenden, hatte Lenz aufgelegt.
    Lenz war um sein Image in den Medien besorgt. Lily nahm sich vor, in Zukunft behutsamer zu sein. Man musste sich nicht jetzt schon mit den Journalisten anlegen. Später, wenn der Fall geklärt war, würde man offene Rechnungen begleichen können.
    Doch die Fragen zur Täterschaft Embergers alarmierten

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